Das Magazin #29

Die Texte in diesem Heft (erschienen Herbst/Winter 2017) behandeln auf sehr unterschiedliche Weise Ereignisse, Themen und Figuren, die Geschichte sind und eines frischen Zugangs bedürfen. Sie verlangen nach einem follow-up – dass wir ihnen nachgehen, sie neu betrachten, sie weiter bearbeiten. Die Autor/innen zeigen, wie sie an Aktualität und Brisanz gewinnen, wenn man den Blick scharf stellt. Dann rücken sie den Zeitgenossen eigentümlich nahe, verlieren sie die Unschärfe, die sie durch historische Distanz oder jahrelange Abnutzung bekommen haben.

Zur „Wiedervorlage“ gelangt beispielsweise Gaudiopolis, die hierzulande wenig bekannte ungarische Kinderrepublik im Budapest der Nachkriegszeit, durch die Kooperation der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig mit der OFF Biennale in Budapest. Was heißt es unter heutigen Bedingungen, Demokratie einzuüben und junge Menschen nach den demokratischen Idealen von Gaudiopolis „zu selbständigen und selbstkritischen Bürgern“ heranzubilden? Die in Budapest lebende Schriftstellerin Zsófia Bán nahm Spuren ihrer Familiengeschichte auf, die nach Gaudiopolis führen. Bot die „Stadt der Freude“ Hunderten obdachlosen und hungernden Kriegs- und Waisenkindern Heimat und Zukunft in politisch instabilen Zeiten, so anders und ungleich düsterer beurteilt László Darvasi in seiner Novelle die Situation heutiger Kriegs- und Waisenkinder, die als Flüchtlinge in Ungarn stranden.

Im Rahmen unseres Programms „Museum Global“ hat sich das Lenbachhaus in München die weltbekannte Künstlergruppe des Blauen Reiter, für deren Sammlung es berühmt ist, gewissermaßen auf Wiedervorlage gelegt. Der Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, Matthias Mühling, erläutert, was der Fokus auf Künstlerkollektive zum Verständnis einer globalen Moderne beitragen kann und wie sehr er die herkömmliche Sicht auf den Blauen Reiter verändern dürfte. 

Anlässlich einer Ausstellung im Literaturhaus Berlin versucht der Schriftsteller Lukas Bärfuss, der in seiner Schweizer Heimat mit dem Warnruf, die direkte Demokratie in der Schweiz könne sich gegen ihre eigenen Fundamente richten und begünstige den populistischen „Irrsinn“, für Aufruhr gesorgt hat, eine Wiederannäherung an seinen Landsmann Hermann Hesse. 

Vladimir Čajkovac arbeitete im Rahmen unseres Programms Fellowship Internationales Museum (FIM) mit der weltweit größten, 9.000 Plakate aus über 100 Ländern umfassenden Sammlung zu „AIDS als globales Medienereignis“.  Dass er diesem Thema und seinen Forschungen nun anlässlich der kommenden Uraufführung des Musiktheaters „AIDS FOLLIES“ ein follow-up geben kann, ist ein glücklicher Zufall. Mit dem Fokus auf die Lebensgeschichte des sogenannten „Patient Zero“, dem vermeintlich ersten AIDS-Infizierten, lässt sich die globale Kulturgeschichte von HIV bis zu ihren Anfängen zurückverfolgen.

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