46. Jurysitzung
Einleitung
Die interdisziplinäre Jury der Allgemeinen Projektförderung empfahl auf ihrer jüngsten Sitzung im Herbst 2024 insgesamt 27 neue Förderprojekte mit einer Gesamtfördersumme von 3,9 Mio. Euro. Alle Projekte finden Sie in der untenstehenden Übersicht.
Challenged Togetherness
Das Kunstmuseum Magdeburg feiert 2025 sein 50-jähriges Bestehen. Das ehemalige Kloster ist eines der ältesten Bauwerke Magdeburgs und zählt heute zu den wichtigsten Ausstellungsorten für Gegenwartskunst und Skulptur in Sachsen-Anhalt. Mit der geplanten Jubiläumsausstellung „Challenged Togetherness – Herausgeforderte Gemeinschaft“ befragt das Haus auch seine eigene Geschichte – von der DDR-Kunstsammlung über die Demokratiebewegung und die Nachwendezeit bis in die Gegenwart. Die geplante Ausstellung umfasst Bildende Kunst und Musik, ortsspezifische Sound-Installationen und Performances. Sie untersucht, wie persönliche und kollektive Erinnerungen zusammenhängen und wie Geschichte, Ideologie und Ästhetik miteinander verbunden sind.
Zangezi
„Zangezi“ ist die Neuinszenierung eines visionären, futuristischen Theaterstücks von Welimir Chlebnikow, das die Themen Sprache, Technologie und planetarisches Denken künstlerisch neu verhandelt. Unter der künstlerischen Leitung von Chris Salter und in Zusammenarbeit mit dem Immersive Arts Space (Zürich) entsteht ein interdisziplinäres Gesamtkunstwerk, an dem Künstler, Musikerinnen, Wissenschaftler und Technologinnen aus mehreren Ländern mitwirken. Die Uraufführung ist für August 2025 beim Kunstfest Weimar und für September 2025 in der Muffathalle in München geplant, im Anschluss folgt eine internationale Tournee.
Stimmen der Stadt
Das Theater Plauen und Zwickau widmet sich im Projekt „Stimmen der Stadt“ der Geschichte der Arbeitsmigration der Industriestadt Zwickau in den letzten 150 Jahren. Das Projekt beleuchtet drei historische Epochen: die Kolonialzeit, die NS-Zeit und die DDR-Zeit. Eine detaillierte Recherche zu historischen Orten und beteiligten Personen bildet die Grundlage für ein Theaterstück, das in Zusammenarbeit mit Zwickauer Bürgern und ehemaligen Vertragsarbeiterinnen entwickelt wird. Die Aufführung findet vom 10.–18. Mai 2025 als Parcours im öffentlichen Raum statt.
Hello Atmosphere
Das Theater der Jungen Welt (TDJW) in Leipzig entwickelt gemeinsam mit dem niederländischen Theater Artemis ein innovatives Theaterprojekt zu Fragen des Umgangs mit der Klimakrise und zur Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Das performative Projekt „Hello Atmosphere“ bringt dazu vom 20.–27. Juni 2025 sechs Kinder auf der Bühne und 150 Erwachsene im Publikum in den Dialog. In Form eines Requiems konfrontieren die Kinder die Erwachsenen mit fundamentalen Fragen nach intergenerationeller Verantwortung und Minderheitenschutz. Der anschließende „Rat der Generationen" vereint Vertreter unterschiedlicher Altersgruppen – von Wissenschaftlern bis Kindern – zur Entwicklung eines Vertrags für generationengerechtes Miteinander.
Sieg über die Sonne
Mit „Sieg über die Sonne“ plant das Performancekollektiv Showcase Beat Le Mot die Wiederbelebung einer 1913 uraufgeführten russischen Oper: Das als Fragment ohne verbindlichen Text und Musik erhaltene Stück der avantgardistisch-interdisziplinären Gruppe Matjuschin, Malewitsch, Krutschonych und Chlebnikow soll zu einer vollständigen Bühnenproduktion ausgearbeitet und international gezeigt werden. In Kooperation mit dem HAU Hebbel am Ufer und dem estnisch-russischen Ensemble des Von Krahl Theaters Tallinn sowie der israelischen Komponistin Maya Dunietz und dem Solistenensemble Kaleidoskop wird die Oper Ende 2025 uraufgeführt und im Folgejahr im Rahmen einer internationalen Tournee um einen weiteren Akt ergänzt.
Driving, Dreaming, Drifting
Wem gehört der öffentliche Raum? Wer hat Zugang und wer bestimmt, wie wir uns in ihm verhalten und bewegen? In europäischen Städten sind es trotz Mobilitätswende nach wie vor Autos, die den öffentlichen Raum dominieren. An der Schnittstelle von Kunst, Stadtplanung und Architektur werden unter dem Titel „Driving, Dreaming, Drifting“ ortsspezifische Recherchen in Barcelona und Brüssel durchgeführt. Im Rahmen des Stuttgarter Festivals „CURRENT – Kunst und urbaner Raum“ treffen sie mit lokalen und internationalen Positionen zusammen. Performances und künstlerische Interventionen im Stadtraum, Radio- und Filmarbeiten, Konzerte und Gesprächsformate beleuchten unterschiedliche Aspekte des Verhältnisses von Auto und Stadtraum und zeigen queer-feministische Perspektiven auf Fragen rund um Zugänglichkeit, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Lebensqualität.
Robert Smithson in Europa
Mit „Robert Smithson in Europa“ plant das Josef Albers Museum Quadrat Bottrop eine große museale Ausstellung des US-amerikanischen Künstlers (1983–1973), der als wichtiger Vertreter der Land-Artgilt: In seinen theoretischen Schriften und in seinen ortspezifischen Arbeiten, die etwa in Bergbaugebieten entstanden, befasste Smithson sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Technologie, Mensch und Umwelt. Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit der Holt/Smithson Foundation in Santa Fe, New Mexico, und fragt, wie seine Arbeiten bewahrt und reinszeniert werden können – angesichts ihrer Ortspezifik keine leichte Aufgabe. In Führungen, Vorträgen und Talks befragen internationale Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und Kuratoren Smithsons Werk kritisch aus heutiger Perspektive und tragen zu einer Neukontextualisierung von Land-Art bei. Auch Interventionen im öffentlichen Raum sind geplant: An verschiedenen industriell geprägten Orten im Ruhrgebiet wird es Screenings zu Smithsons Land-Art geben.
FIXING FUTURES
Die Ausstellung „Fixing Futures“ im Museum Giersch der Goethe-Universität erforscht, wie Gesellschaften mit der Klimakrise umgehen und welche Vorstellung von Zukunft diesem Umgang zugrunde liegt. Die Schau möchte den Dialog zwischen Universität und Stadtgesellschaft ausbauen und ein interdisziplinäres Nachdenken über das Anthropozän und globale Umweltgerechtigkeit anregen. Künstlerische Beiträge etwa von James Bridle oder Gwenola Wagon untersuchen das Spannungsverhältnis zwischen radikaler Unsicherheit und dem Wunsch nach Kontrolle im Zusammenhang mit der globalen Erderwärmung. Dekoloniale Ansätze aus dem Solarpunk-Genre oder Jordan Aworis spekulative Stadtbilder lenken den Blick auf gerechtere Zukunftsmodelle.
Iligoscene – Das Zeitalter des Taumels
Ein tiefgreifender Wandel ist aktuell in allen Lebensbereichen erfahrbar: Angesichts von Klimakrise, erstarkenden politischen Extremismen, sich rasant entwickelnden KI-Technologien und anderen einschneidenden gesellschaftlichen Veränderungen werden Gewissheiten in Frage gestellt. Die Welt scheint zu taumeln. Welche Visionen für eine nachhaltige Zukunft lassen sich jetzt entwickeln – und wie? Mit diesen Fragen und dem Phänomen des Taumelns beschäftigen sich Künstler, Kuratorinnen und Denker in dem Ausstellungsprojekt „Iligoscene – Das Zeitalter des Taumels“, das das KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst in Berlin mit Partnerinstitutionen in Österreich und Kroatien realisiert wird. Die Ausstellung und das Begleitprogramm verstehen sich als künstlerische und diskursive Suche nach differenzierten Sichtweisen auf aktuelle globale Krisen.
Kreuzberg (AT)
Der Gropius Bau widmet sich ab Herbst 2026 in der großen Ausstellung „Kreuzberg“ (AT) dem gleichnamigen Bezirk in Berlin. Die Ausstellung legt einen Fokus auf die Geschichte der Arbeitsmigration und auf die Anwerbeankommen der 1960er Jahre, die den Bezirk enorm veränderten. Damals machten Künstlerinnen auf die prekären Lebensbedingungen von Arbeitsmigranten aufmerksam und setzten sich dafür ein, diese zu verbessern. Davon zeugen Dokumentar-, Experimental- und Bildungsfilme wie auch Literatur, Bildende Kunst, Theater und Musik. Ein zentrales Motiv der Ausstellung ist die Stimme – im politischen wie im künstlerischen Sinne. So gibt es begleitend zur Ausstellung u. a. ein Chorprojekt und ein Radioprogramm. Inspiriert vom Türkischen Arbeiterchor Westberlin mit seinen sozialkritischen Liedern stellt eine Veranstaltungsreihe prägende Musikgruppen aus der Zeit vor.
Nobody is Home
Die Philippine Educational Theater Association aus Manila und das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin widmen sich in der gemeinsamen Produktion “Nobody is Home” dem Thema Pflege. Mit seiner alternden Bevölkerung ist Deutschland auf Pflegekräfte aus dem Ausland angewiesen. Und insbesondere die Philippinen sind in den letzten Jahren ein wichtiges Land zur Anwerbung geworden. Dort sind 10 Prozent der Bevölkerung sogenannte „Over Sea Workers“, die im Ausland arbeiten und Geld nach Hause schicken. Regisseurin Nina Gühlstorff und Autorin Liza Magtoto haben in einer Recherche zum Thema Care-Arbeit und Migration Interviews mit Pflegerinnen, Aktivisten und Verwaltung geführt. Projektpartner ist das Goethe-Institut Manila, das im Kontext der Anwerbeabkommen als Anbieter von Deutschkursen eine wichtige Rolle spielt. Hauptfiguren im Stück sind eine Arbeitsmigrantin und eine deutsche Frau, die ihre Eltern in ein Pflegeheim gibt. Die Kunst wird zum Mittel, um Machtverhältnisse im Kleinen wie im Globalen zu hinterfragen und neu zu denken. Aufführungen sind in Manila, Schwerin und Parchim geplant.
The Infinite Now
„The Infinite Now“ ist ein Musikereignis, das sich nahtlos über dreißig Stunden erstreckt. 25 künstlerische Projekte mit bis zu siebzig Musikerinnen und Performern tragen dazu bei. Das Publikum ist eingeladen, vom 8. – 9. November 2025 im Kraftwerk Berlin das Zeitgefühl zu verlieren. Für die Kuration haben sich drei der weltweit wichtigsten Festivals für experimentelle Kunst zusammengetan: Unsound (Polen), Dark Mofo (Australien) und Berlin Atonal.
Grund und Boden
„Wer verwaltet Grund und Boden und wie wird er genutzt?“ Diese Fragen stehen im Zentrum der Ausstellung „Grund und Boden“, an der rund 20 internationale Künstlerinnen und Kollektive teilnehmen. Sie thematisieren verschiedene Formen des Umgangs mit Ressourcen, von indigenen Praktiken bis hin zu utopischen Blockchain-Projekten. Schwerpunkte sind unter anderem die Auswirkungen hoher Mieten in Großstädten oder die Erhaltung des Amazonas als grüne Lunge der Erde. Die Ausstellung findet vom 29. November 2025 bis 19. April 2026 in K21 Düsseldorf statt und regt dazu an, sich der eigenen Rolle in der globalen Wirtschaft bewusst zu werden und nachhaltige, gerechte Zukunftsperspektiven zu entwickeln.
Wo ich wohne
Im Jahr 2026 feiert das Berliner Haus am Waldsee sein 80-jähriges Bestehen. Die umfangreiche Forschungs- und Ausstellungsreihe “Wo ich wohne” von Mai – September 2026 soll die Gründungsgeschichte beleuchten und eine kritische Selbstuntersuchung anstoßen. Eine Jubiläumsausstellung sowie ein partizipatives Begleitprogramm und eine Summer School thematisieren die historischen und ideologischen Prägungen der Institution.
The State of the Art – Studio for Electronic Music in the 21st Century
Im Kontext der geplanten Wiedereröffnung des Kölner Studio für elektronische Musik widmet sich „The State of the Art“ dem künstlerischen Erbe der bedeutenden Produktionsstätte. Das viertägige Festival findet vom 13.–16. März 2025 an verschiedenen Spielstätten in Köln statt. Es thematisiert den technologischen und ästhetischen Wandel in der elektronischen Musik: Wie werden Werke, Geräte und Prozesswissen bewahrt, wie verändert sich elektronische Musik durch künstliche Intelligenz?
Every Artist Must Take Sides
Der afroamerikanische Schauspieler und Sänger Paul Robeson war einer der bekanntesten politischen Künstler des 20. Jahrhunderts. Er und seine Frau, die Anthropologin Eslanda Robeson, setzten sich unter anderem für die Bürger- und Menschenrechtsbewegung in den USA und antikoloniale Freiheitskämpfe weltweit ein. Das Ausstellungs- und Festivalprojekt „Every Artist Must Take Sides: Resonances of Paul and Eslanda Robeson“ beleuchtet das Wirken der Robesons und befragt Praktiken internationaler Solidarität. Im Mittelpunkt stehen dabei das Paul-Robeson-Archiv der Akademie der Künste und das Mayibuye-Archiv des Centre for Humanities Research (CHR) an der University of the Western Cape in Kapstadt, das bedeutende Materialien zur Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika beherbergt.
Queer Ecology. Mika Rottenberg
Mit „Queer Ecology. Mika Rottenberg“ zeigt das Lehmbruck Museum in Duisburg vom 28.September 2025 bis 1. März 2026 erstmals in Deutschland eine groß angelegte Schau der Künstlerin. Rottenberg (*1976 in Argentinien) setzt sich in ihren Arbeiten auf humorvolle und subversive Weise mit Konsum, Verschwendung und Feminismus auseinander. Sie untersucht künstlerisch kapitalistische Produktionsbedingungen und die Folgen, die sie für Menschen haben können: Schutz- und Machtlosigkeit. Mit Videoarbeiten, Rauminstallationen und interaktiven Arbeiten nimmt die Ausstellung dabei Bezug auf bedeutende Werke der Duisburger Skulpturensammlung, u. a. von Georges Bures Miller (*1960, Kanada), Rebecca Horn (*1944–2024) und Jana Sterbak (*1955, Tschechien).
Internationales Festival mit Figuren WEITBLICK 2025
Das Festival „Weitblick“ knüpft an eine mehr als 50-jährige Figurentheater-Tradition an und ist in seiner Internationalität und Größenordnung in Niedersachsen einzigartig. Vom 19. bis 28. September 2025 bespielt es die Bühnen Braunschweigs und der Region. Das Programm reicht von innovativen und bildstarken Maskenspiel- und Objekttheater-Inszenierungen, über Konzerte bis hin zum zeitgenössischen Zirkus. Ein künstlerischer Schwerpunkt wird auf Open-Air-Produktionen im öffentlichen Raum liegen.
Forever Susan Sontag
Mit „Forever Susan Sontag“ widmet sich das Literaturhaus München vom 21. März – 02. November 2025 dem Leben und Mythos der großen amerikanischen Intellektuellen (1933–2004) anhand ihres Lebenswegs, ihrer Interessen, Zeitgenossen und persönlichen Dinge. Entlang ihrer Biografie zeichnet die Ausstellung ihren Weg aus der Provinz zu einer Ikone des 20. Jahrhunderts nach. Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Begleitprogramm mit Beiträgen namhafter Philosophinnen, Schriftstellern und Künstlerinnen gerahmt.
Meditation Reprise (AT)
In seiner neuen Tanzproduktion verbindet Kyle Abraham seine Wurzeln in der New Yorker House-Szene der 1990er-Jahre mit seiner aktuellen choreografischen Arbeit. „Meditation Reprise“ erforscht die emanzipatorische Kraft der Clubkultur und erprobt, ob sich deren Bewegungssprache mit akademischen Tanzformen verschmelzen lässt. Die Uraufführung ist im Rahmen des Real Dance Festivals im Januar 2026 im Kulturzentrum Pavillon in Hannover geplant.
Sincerely Yours, The Philippines
In einem zehntägigen Festival widmet sich das Frankfurter Künstler*innenhaus Mousonturm den performativen Künsten auf den Philippinen. Die innovative Kunstszene des Landes ist in Deutschland bislang wenig bekannt. Zum Festival vom 11. bis 20. September 2025 kommen Tänzerinnen und Peformancekünstler unterschiedlicher Generationen aus den Philippinen und der philippinischen Diaspora. Unter der Leitung der philippinischen Künstlerin Eisa Jocson werden für „Sincerely Yours, The Philippines“ sechs Neu- und Koproduktionen gezeigt, die eine queer-feministische Perspektive einnehmen und indigene Kulturpraktiken einbeziehen.
Wiesbaden Biennale: Fokus PLATZ MACHEN
Welche Orte in Wiesbaden sollten eigentlich Erinnerungsorte sein? Welche blinden Flecken gibt es bislang in der Stadtgeschichte? Diesen Fragen widmet sich die Wiesbaden Biennale mit dem Fokus „Platz machen“. Dabei werden im Stadtraum neue Versammlungs- und Erinnerungsorte geschaffen. Eine performative Installation bespielt die Theaterkolonnaden, wo früher Kolonialwaren für die Kurgäste präsentiert wurden. Eine Straße, die über den früheren Standort der Synagoge am Michelsberg führt, wird stillgelegt und mit Konzerten belebt. Eine performative Installation dreht sich um die „Kaiserfahrt“, eine Einfahrt für den Kaiser direkt in die Theaterloge, und heute der einzige barrierefreie Zugang zum Theater. Und in einem ehemaligen Kolonialwarenladen in der Innenstadt werden Kontinuitäten von Ausbeutung im globalen Handel thematisiert. Ein Audio-Walk wird die Orte verbinden.
Transformation forever
Mit „Transformation forever“ begibt sich HELLERAU in die Zeit der 1990er Jahre, um künstlerisch-kulturelle Phänomene und gesellschaftliche Entwicklungen der Gegenwart zu erkunden. Welche Rolle spielten Kunst und Kultur in den Transformationsprozessen in Mittelosteuropa? Wie blickt eine jüngere Generation auf die Zeit der ostdeutschen und mittelosteuropäischen „Wende"? Neben Neuproduktionen und Gastspielen umfasst das Programm unter anderem Lecture-Performances, ein Residenzprogramm mit Partnern in Polen, Slowenien, Tschechien, der Ukraine und Ungarn sowie ein internationales Forum zu Arbeitsweisen von Künstlerinnen, Kulturakteuren und NGOs. Den Auftakt bildet im September 2025 ein Reenactment von „Genetik Woyzeck" (1997), einer der ersten Theaterproduktionen, die auf visionäre Weise Film und Bühne verschränkte.
Das rote Haus (AT)
Der Theatermacher und bildende Künstler Ersan Mondtag entwickelt am Gorki Theater mit „Das rote Haus“ (AT) ein Stück über und mit Frauen, die in den 1960er und 1970er Jahren als Fachkräfte nach Berlin kamen. Ausgangspunkt ist das Kreuzberger Wohnheim „Wonaym“, in dem viele sogenannte Gastarbeiterinnen untergebracht waren. Die Aktiengesellschaft Telefunken mietete dort u. a. eine Etage für gut ausgebildete Frauen aus der Türkei an. Diese entsprachen kein bisschen dem prägenden Bild von Arbeitsmigration als bildungsfern und armutsgetrieben. In seinem Bildertheater schafft Mondtag ein utopisch-melancholisches Altenheim. Und hinterfragt so, welche Erzählungen im kollektiven Gedächtnis bleiben und welche ausgeblendet werden. Zeitzeuginnen, heute über 70 Jahre alt, stehen gemeinsam mit dem Gorki Ensemble auf der Bühne, das die jüngeren Alter Egos spielt. Auch Mitglieder der „Golden Gorkis“, des ältesten Jugendclubs Deutschlands, wirken mit.
WOHIN JETZT?
Die Frage „Wohin jetzt?“ stellten sich hunderttausende Jüdinnen und Juden nach ihrer Befreiung 1945. Die Münchner Kammerspiele greifen diese Frage in einem künstlerischen Programm auf und widmen sich den Jahren nach dem Holocaust aus jüdischer Perspektive. Im Fokus stehen die Schicksale von Holocaust-Überlebenden wie Mordechai Teichner, der nach Israel emigrierte, und Philipp Auerbach, der als Staatskommissar für Verfolgte am Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland arbeitete und an antisemitischen Anfeindungen zerbrach. Zwei Uraufführungen und ein Begleitprogramm mit Diskussionen, Lesungen und Schülerprojekten verknüpfen die historischen Ereignisse mit aktuellen Fragen zu Antisemitismus und Erinnerungskultur. Die Veranstaltungen finden unter anderem in Kooperation mit dem Jüdischen Museum München und Institutionen in Israel wie der Cinemathèque Haifa statt.
theaters of war(s) – Wunder der Prärie 2025
Das Mannheimer soziokulturelle Zentrum „zeitraumexit“ plant mit „theaters of war(s) – Wunder der Prärie“ ein genreübergreifendes Festival im öffentlichen Raum, das sich historischen und aktuellen Kriegen intellektuell und künstlerisch annähern will. In Kooperation mit zahlreichen lokalen Kulturvereinen und internationalen Künstlern geht es vom 25. September – 5. Oktober 2025 um die Frage, welche Folgen Krieg, Verteidigung, Kriegsdienst, kostenintensive Remilitarisierung und ein gesellschaftliches Klima der Angst haben.
Maschinen dröhnen, Nadel schleppt den Faden ...
Im Mai 2025 erinnert die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück an den 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Frauen-Konzentrationslagers. Sie plant dazu vom 1. Mai – 30. Oktober 2025 die Ausstellung „Maschinen dröhnen, Nadel schleppt den Faden ...“ mit einer Installation der französischen bildenden Künstlerin Dominique Hurth. Hurth integriert bisher nicht ausgestellte Objekte und beleuchtet die Gewaltgeschichte und wirtschaftlichen Strukturen der NS-Zeit und deren Kontinuitäten bis in die heutige Zeit. Die Ausstellung dient als Impuls für den internationalen Dialog über NS-Täterschaft und Zwangsarbeit.