20 Jahre Kulturstiftung des Bundes: ein besonderer Jahrestag oder schon ein „Jubiläum“? In jedem Fall ein Anlass innezuhalten und sich an die Anfänge im Jahr 2002 zu erinnern: Die Gründung der Kulturstiftung des Bundes verdankte sich der Initiative des damaligen Kulturstaatsministers Julian Nida-Rümelin, der vor der Aufgabe stand, der Zuständigkeit des Bundes für die Kultur unter Wahrung der Kulturhoheit der Länder Profil zu verleihen. Es war ja eigentlich alles vorhanden, eine außerordentlich reiche Kulturlandschaft, zu der die damals noch jungen neuen Bundesländer einen bemerkenswerten, aber im wiedervereinigten Deutschland noch zu wenig beachteten Teil beisteuerten. Mit der Entscheidung für den Standort der Kulturstiftung des Bundes in Halle an der Saale wurde ein Zeichen gesetzt.
Am Anfang war die Satzung (öffnet neues Fenster). Wie es aber gelingen sollte, „innovative“ Projekte oder zukünftig gesellschaftlich relevante Themen im Voraus zu identifizieren, das mussten wir selbst herausfinden. Welche Themen oder Programme waren geeignet, sich auf überregionaler Ebene zu behaupten? Offenheit wurde uns zum Gebot der ersten Stunde, zur Maxime in den Anfangsjahren. Wir setzten auf das Wissen und die Erfahrungen von Künstlerinnen und Künstlern, auf die Potentiale von Kultureinrichtungen und freien Szenen und ließen uns von ihren Bedürfnissen, Wünschen und Utopien inspirieren. Auf diese Weise entstanden neue Kooperationen über Ländergrenzen hinweg, wurden gemeinschaftlich Ideen entwickelt, die die Kapazitäten Einzelner überstiegen. Kurzum: Wir entwarfen selbst unsere Förderphilosophie, die sich durch qualitativ und quantitativ spürbare Auswirkungen in der Kulturlandschaft legitimieren musste. Von Robert Musil stammt der schöne Gedanke, die Zeit sei ein Zug, der seine Schienen vor sich her rollt. Die zwanzigjährige Geschichte der Kulturstiftung des Bundes ähnelt einem solchen Zug.
Dabei dürfte uns die Verortung in einer eminent kulturträchtigen Stadt in einem ostdeutschen Bundesland sehr zugutegekommen sein. Die Entscheidung für Halle an der Saale als Sitz der Stiftung war und ist für uns ein Glücksfall. Wir waren damals darauf angewiesen, mit sehr vielen Menschen zumal mit unterschiedlichen Erfahrungen ins Gespräch zu kommen, uns kundig zu machen, zuzuhören, zu fragen statt mit Antworten und herkömmlichen Lösungen aufzuwarten. Das hat uns ermutigt und letztlich geprägt: Zu erfahren, was die verschiedenen Akteure in der Kultur bewegt, wofür sie einstehen und wofür sie Unterstützung brauchen, was sie ändern möchten, welche Hindernisse ihnen im Weg stehen, wie sie sich Weiterentwicklung und Zukunft vorstellen. Das Vertrauen, das uns die Kollegen und Kolleginnen in den Institutionen und die Künstlerinnen und Künstler geschenkt haben, war dabei von unschätzbarem Wert und hat uns – in doppelter Hinsicht – sehr bewegt. Im Laufe der zwanzig Jahre konnten wir ein Wissen über die deutsche Kulturlandschaft erwerben, das praktisch einzigartig ist, weil es nicht nur auf der Kenntnis von Institutionen und Szenen, von künstlerischen Produktionen und kulturpolitischen Strukturen beruht, sondern auf Tausenden von Gesprächen mit denen, die bundesweit und auch international frische Impulse in die Kultur einbringen wollen.
Wir hatten das Glück, dass die Politik, die verschiedenen Kulturstaatsministerinnen und Kulturstaatsminister, uns Zeit für umfassende Recherchen gaben, sie keine Limits setzten, wir (nicht immer von Erfolg gekrönte) Experimente wagen und künstlerische Risiken eingehen durften. Anders wäre es kaum möglich gewesen, mehrjährige Programme zusätzlich zu den antragsgebundenen Förderprojekten zu entwickeln und durchzuführen. Sie sind es, die Spuren in die Zukunft der Kulturlandschaft gelegt und aufgrund ihres Modellcharakters bei Themen wie Klima (öffnet neues Fenster), Diversität (externer Link, öffnet neues Fenster), Digitalisierung (externer Link, öffnet neues Fenster), internationalen Kooperationen und Strukturen (Tanzplan (öffnet neues Fenster), Doppelpass (öffnet neues Fenster), TRAFO (öffnet neues Fenster)) Wegmarken hinterlassen haben, die anderen Institutionen als Orientierung dienen konnten. Einige Programme mögen manchmal erst zeitverzögert ihre gesellschaftliche Wirksamkeit und (kultur)politische Anerkennung gefunden haben und erwiesen sich im Rückblick als Vorreiter für bestimmte Themen. Andere wiederum boten unerwartet schnelle und unkomplizierte Unterstützung bei der Umsetzung dringlicher Anliegen. Wenn im jetzigen Koalitionsvertrag der Kulturstiftung des Bundes als „Innovationstreiber“ Anerkennung gezollt wird, dann bestärkt das die Annahme, dass sich unsere Fördermaßnahmen als eine Art Stellwerk bewährt haben, das die „Weichen“ für Veränderung, für Erneuerung und Transformationen in der Kultur auf Zukunft stellt und die Signale aus den Kunstszenen angemessen in den (bundes)politischen Raum übermittelt.
Diese Ausgabe des Magazins zum zwanzigjährigen Bestehen tanzt ebenso aus der Reihe, wie es schon das Magazin zum zehnjährigen (öffnet neues Fenster)tat. Damals bestand es ausschließlich aus Gedichten von zeitgenössischen Lyrikern, diesmal ausschließlich aus Bildern von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern, die die Kulturstiftung des Bundes im Rahmen von Projekten gefördert hat, namentlich Nadja Buttendorf, Kerstin Brätsch, Tschabalala Self und Tobias Zielony.
Mit diesem Magazin wollen wir vor allem eines: Wir wollen allen DANKE sagen, die uns in den letzten zwanzig Jahren begleitet haben. Dem ist an Worten (und Texten) nichts hinzuzufügen. Deshalb haben wir auf den Rückseiten der Plakate eine beträchtliche Auswahl von Institutionen aufgeführt, die für die unzählig vielen Weggefährten aus zwanzig Jahren Förderung stehen, mit denen wir in ca. 4.000 Projekten und Programmen zusammengearbeitet haben. Dazu kommen internationale Partner, Kolleginnen und Kollegen, viele viele Jurymitglieder und die Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter aus der Politik und unseren Gremien. Dazu gehören die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung, ein engagiertes Team, ohne dessen unermüdlichen Einsatz der Zug womöglich so manches Mal ins Stocken geraten wäre. Wir möchten ihnen allen danken und zu guter (!) Letzt Ihnen, den Leserinnen und Lesern des Magazins, für Ihr Interesse, Ihre Wissbegier, Ihre (kritischen) Anregungen seit Anbeginn der Stiftung.
Hortensia Völckers, Kirsten Haß
Vorstand der Kulturstiftung des Bundes