Die Schriftstellerin und Ethnologin Sarah Khan besuchte 2018 das Oderbruch: Eine verstaubte Akte mit 71 Lebensgeschichten aus der Region führt sie auf eine Spurensuche zu den Menschen im Oderbruch, deren zum Teil abenteuerlich anmutende Geschichten sie in ihrer Reportage "Hohe Maßnahmen" (Magazin 31, 2018) aufzeichnet. Ländliche Räume erforschte auch die aus dem Schwäbischen stammende Lyrikerin Carolin Callies: In der Sammlung "wo die alb anfängt, dort hört der zug auf" (ebd.) fängt sie in ihren Gedichten Bilder und Gefühle von ihren Reisen auf die Schwäbischen Alb ein. Das Oderbruch und die Schwäbische Alb gehören zu den Modellregionen im Programm TRAFO — Modelle für Kultur im Wandel.
Herkunft und Ortswechsel beschäftigten auch den deutsch-bosnischen Schriftsteller Saša Stanišić: In seinem sehr frühen Text "Doppelpunktnomade" (Magazin 6, 2005), den er noch vor seinem Debütroman "Wie der Soldat das Grammofon repariert"für das Magazin der Kulturstiftung schrieb, erzählt der mittlerweile vielfach preisgekrönte Autor vom geografischen und sprachlichen Ankommen — und Nicht-Ankommen — in Deutschland und im Deutschen. Er zeigt eindrücklich die verschiedenen Dimensionen der migrantischen "Homesickness" oder "Heimatkrankheit" auf.
Lyrik als virtuoses Medium der verlorenen Heimat stellen die (zweisprachigen) Gedichte von Valžyna Mort unter Beweis. Sie erschienen 2008 im Magazin 11 noch vor ihrem Lyrikband "Tränenfabrik", mit dem ihr (in vielfachen Übersetzungen) international der Durchbruch gelang. Die heute in den USA lebende belarussische Dichterin zeichnet ein Bild ihrer Kindheit in einem zerrissenen Land: "und wieder liegt in der jahres-/ bilanz die tränenfabrik / vornean".
Die Macht und die Möglichkeiten der Sprache in ihren Extremen setzt der 1984 in Sri Lanka geborene Senthuran Varatharajah in seinem Text "Aufgehoben"ein, welcher zum Sound von Radioheads "Where I End And You Begin" die Grenzen zweier Körper auslotet (Magazin 34, 2020).
Auf andere Art entwirft auch Juan S. Guse in "Wer ist Robin Green-Touré" (Magazin 33, 2019) einen Protagonisten (oder eine Protagonistin?) als einen Extremfall von kreativer Identitätsfindung: Zwischen popkulturellen Bezügen von Neal Stephenson bis Nintendo verliert sich die Hauptfigur der Erzählung auf der Suche nach einer legendären Videospiel-Programmiererin in zunehmend metaphysischen Gefilden.