Ob ich mir vorstellen kann, ein erotisches Verhältnis zu einem künstlich intelligenten Roboter einzugehen? Ja, das kann ich. Problemlos. Und mit Vergnügen. Mein Partner hingegen ist irritiert und weist die Frage, ob er eifersüchtig sein würde, als absurd zurück. Dabei ist das Phänomen, dass Menschen eine emotionale Bindung zu einem unbelebten Ding aufbauen und die körperliche
Nähe zu diesem Gegenstand sexuell erregend finden, so ungewöhnlich nicht. Unter dem Begriff der Objektsexualität ist es als Paraphilie zwar sexualwissenschaftlich noch weitgehend unerforscht, wird aber auf entsprechenden Foren im Internet lebhaft diskutiert. Während sich Objektsexuelle zu Objekten hingezogen fühlen, die keine Ähnlichkeit mit einem Menschen haben, etwa einer Mauer, interessieren mich eher humanoide Roboter. Was nicht heißt, dass ich sie mir wie perfekte Nachbildungen eines Menschen vorstelle, wie wir sie aus Science- Fiction- Filmen oder Serien wie Ex Machina oder Westworld kennen. Mir geht es nicht um ein idealschönes Gegenüber, das ohne all die lästigen Makel und Macken auftritt, mit denen man sich in Beziehungen sonst so herumzuschlagen hat. Und ich gehöre auch nicht zu der Gruppe von Menschen, die sich als Idollatoren, Digisexuelle oder Robosexuelle identifizieren und partnerschaftliche Erfüllung exklusiv bei einer Puppe, einem Hologramm oder einem Roboter zu finden hoffen.
Was mir aber sehr wohl reizvoll erscheint, ist die Möglichkeit einer Maschine als Maschine zu begegnen. Es ist das, der oder die technisch Andere, der ich nahe kommen und von der ich mich (psychisch wie physisch) berühren lassen möchte. In meinem Buch Sex Machina. Zur Zukunft des Begehrens (2019) habe ich eine solche Objektbeziehung als Form einer Begegnung zu denken versucht, die nicht auf Selbstbestätigung zielt, sondern auf das Aufbrechen eines allzu fest gefügten Selbstbilds. Anders als David Levy in seinem Buch Love and Sex with Robots (2007) argumentiert, würde ich mir wünschen, dass Menschen nicht deshalb einen Roboter als Partner oder Partnerin wählen, weil er immer verfügbar und vor allem immer gefügig ist. Interessanter erscheint mir gerade die Fremdheit des Roboters. Wir wissen nicht, wie genau die Programme ablaufen, die einen Roboter in Bewegung setzen. Wir können sie, selbst wenn wir über das nötige IT-Wissen verfügen, nie vollständig kontrollieren. Genau das aber erlaubt es uns, eine Angstlust am technisch Unbekannten auszukosten und das zu entwickeln, was ich eigenartiges Begehren nenne.
Eigenartiges Begehren entsteht, wo Affizieren und Affiziert-Werden auf unerwartete Weise geschehen. Wie es eben der Fall ist, wenn wir auf eine künstlich intelligente und künstlich emotionale Maschine treffen, die ihren eigenen Willen und ihre eigene Sprache hat. Sie ist dann nicht länger ein Geschöpf wie die mechanische Puppe Olimpia aus E. T. H. Hoffmanns Novelle Der Sandmann, die wenig mehr zu sagen hat als ein ihre männlichen Betrachter entzückendes „Ach — Ach — Ach!“, sondern ein Wesen mit einem eigenen Begehren. Dieses Begehren ist eigenartig, insofern es von eigener Art ist. Die Eigenartigkeit impliziert, dass man ihr als Betrachterin oder Betrachter befremdet gegenübersteht, sich aus diesem Befremden aber neue Möglichkeiten des Erlebens ergeben können.
Einen Eindruck davon, wie ein solches Erleben entstehen mag, bekommt man nicht, wenn man sich die Bilder der immer gleichen Prototypen der mit rudimentärer Sprachtechnologie ausgestatteten pornographischen Sexpuppen anschaut, wie sie beispielsweise von Matthew McMullen unter dem Namen Harmony vermarktet werden. Es sind vielmehr Beispiele aus der Kunst, die uns hier weiterhelfen. Louis-Philippe Demers Blind Robot (2013) etwa, der seine Roboterfinger über das Gesicht eines Menschen wandern lässt als würde er es wie ein Blinder ertasten. Oder Jordan Wolfsons hexenhafte Female Figure 2014, die mit Gesichtserkennungssoftware ausgestattet ist und uns mit ihrem Blick zu folgen vermag.
Oder, für diejenigen, die es etwas romantischer mögen, die zwei gynomorphen Roboter mit den Gesichtszügen der isländischen Sängerin Björk aus Chris Cunninghams Musikvideo All is Full of Love (1999).
Sie geben uns einen Vorgeschmack auf das, was in Zukunft unser Begehren ausmachen kann. Nicht, um Beziehungen zu anderen Menschen zu ersetzen, wohl aber um sie um neue Formen des erotischen Erlebens zu ergänzen.