Die gute Nachricht zuerst: Die Kulturstiftung des Bundes fördert so viele Kulturprojekte mit Künstlern und Kulturschaffenden aus afrikanischen Ländern wie noch nie zuvor. Fünf Jahre nehmen wir uns Zeit für die Umsetzung von ca. 50 Projekten und Kooperationen zwischen deutschen Kulturinstitutionen und Kunstschaffenden aus afrikanischen Ländern. Trotzdem – und das wäre dann die schlechte Nachricht: Angesichts der Größe des afrikanischen Kontinents kann die Stiftung selbst mit einem mit über 6 Mio. Euro geförderten Fonds wie TURN gewiss nur einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass wir in Deutschland mehr Impulse aus afrikanischen Ländern aufnehmen.
Hierzulande sind die Kenntnisse von den Kulturszenen in afrikanischen Ländern immer noch rudimentär. Wenn man etwas genauer hinguckt, entdeckt man, dass in den afrikanischen Ländern eine enorme kulturelle Dynamik herrscht, die wir gemeinhin kaum überblicken. Wer weiß schon zu sagen, welcher spannende Roman aus Nigeria oder Kenia stammt, woher die gerade angesagteste Musik kommt, in welchem Land interessante Ausstellungen zu sehen sind, welche gesellschaftlichen Themen gerade diskutiert werden? Wir haben immer noch einen undifferenzierten Blick auf „Afrika“. Das ist wohl das erste, was zu lernen wäre: dass der afrikanische Kontinent mitnichten eine „afrikanische Kunst“ hervorgebracht hat. Den „afrikanischen Roman“ gibt es genauso wenig wie das „europäische Gedicht“.
Uns liegt daran, mit den Projekten, die wir fördern, die Überzeugungen und den Eigensinn derer, mit denen wir Kooperationen eingehen, zum Vorschein kommen zu lassen und ins Licht zu rücken. Dazu gehört auch, dass wir unser Magazin diesmal ganz den vielfältigen Facetten afrikanischer Kunstproduktion widmen und zwar so, dass wir dem Selbstverständnis von Künstler/innen und Kulturschaffenden breiten Raum geben wollen. So haben wir fünf renommierte Kulturschaffende aus verschiedenen afrikanischen Ländern gebeten, uns über ihre Erfahrungen und ihre individuellen Spielräume in den postkolonialen Welten ihrer Länder zu berichten.
Ein ähnliches Motiv bewog uns, Teilen dieser Ausgabe die panafrikanische Gazette Chimurenga Chronic in deutscher Übersetzung beizulegen. Diese einmalige Beilage versammelt Artikel aus den letzten drei Ausgaben der Chimurenga Chronic, die seit 2010 in englischer Sprache in Kapstadt erscheint. Uns schien das eine ideale Möglichkeit zu sein, die deutsche Öffentlichkeit an den aktuellen Debatten und Diskursen auf dem afrikanischen Kontinent teilnehmen zu lassen. Wir danken dem Chimurenga-Herausgeber Ntone Edjabe für die fruchtbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Die beste Nachricht zum Schluss: Wir stehen glücklicherweise nicht allein mit unserem Interesse an den kulturellen Dynamiken auf dem afrikanischen Kontinent. Nachdem es in der Vergangenheit eine verstärkte Hinwendung zu Osteuropa gab und Asien, insbesondere China, eine besondere Aufmerksamkeit für sich beanspruchen konnte, ist in jüngster Zeit das Interesse an den kulturellen Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent gewachsen. Kann man deshalb schon von einem „Afrika-Hype“ sprechen? Auf diese Frage gibt der aus Nigeria stammende Okwui Enwezor, Direktor des Hauses der Kunst in München, in einem Interview ausführlich Antwort. Ihm haben wir auch die Entdeckung der wunderbaren Fotografien des 1975 in Bakenberg/Südafrika geborenen, äußerst vielseitigen Künstlers Moshekwa Langa zu verdanken. Seine Sujets überraschen insofern, als sie sowohl Erwartungen an exotisch-folkloristische wie auch an sozialkritische Motive konterkarieren. Wir freuen uns auch, Ihnen einen Auszug aus dem neuesten Roman „Americanah“ der Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, der Erfolgsautorin aus Nigeria, vorstellen zu dürfen. Wir waren begeistert, der Rezensent in der Chronic Books vertritt da eine differenziertere Meinung. Auch das ein spannendes, wiederum aufschlussreiches Ergebnis!