In den vergangenen vier Jahren haben wir uns auf unterschiedliche Art und Weise mit dem unaufhaltsamen Wandel der Arbeitsgesellschaft und seinen kulturellen Implikationen beschäftigt. Mit der Ausstellung Arbeit. Sinn und Sorge, die wir am 24. Juni 2009 im Deutschen Hygiene-Museum Dresden eröffnen, geht unser Programm Arbeit in Zukunft dem Ende zu. In dieser Ausgabe des Magazins verfolgen wir noch einmal die Spur dieses Themas im Horizont unserer Projekte und geben ihr eine Richtung auf Zukünftiges.
Als wir das Programm starteten, ahnte noch niemand die Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2008 voraus, die den Wandel der Arbeitsgesellschaft vermutlich beschleunigen oder ihm sogar eine — gesellschaftlich und individuell — dramatische Wende geben wird. Wir müssen davon ausgehen, dass sich unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren dringlicher denn je mit Fragen der Ökonomie, mit den Kulturen des Wirtschaftens beschäftigen wird. Ökonomien der Gemeinschaft und Ökonomien der Natur werden angesichts globaler Herausforderungen und Bedrohungen einen größeren Stellenwert in unseren kulturellen Debatten bekommen und die Ökonomie des Marktes verändern. Julian Nida-Rümelin und Tatjana Schönwälder-Kuntze zeigen die kulturelle Tiefendimension ökonomischer Praxen und Theorien auf. Daniel Tyradellis, einer der Kuratoren der Ausstellung Arbeit. Sinn und Sorge, erläutert, wie die Ausstellung das Spannungsfeld zwischen individuellen, persönlichen Erfahrungen mit Arbeit und ihrer gesellschaftspolitischen ›Verwertung‹, zumal in der Zusammenfassung als statistisches ›Menschenmaterial‹ zu staatlichen Erkenntnis- und Handlungszwecken gestaltet. Dieter Thomä nähert sich dem sozialen Aspekt von Arbeit im Blick auf das Verhältnis der Generationen an, in dem unsere Vorstellungen von Arbeit und Bildung aufgehoben und modifiziert werden. Helmut Höge denkt am Beispiel eines der Förderprojekte über ein Modell von ›Arbeit in Zukunft‹ nach, dessen kulturelle Dimension erst langsam (wieder) in den Blick kommt — nämlich die der zumal im östlichen Europa viel weiter verbreiteten genossenschaftlichen Produktionsgemeinschaften, die sich unter Bedingungen des kapitalistischen Marktes neu orientieren müssen.
Auch in den Beiträgen zu Projekten, die nicht dem Programm Arbeit in Zukunft unmittelbar zuzuordnen sind, geht es um Arbeits- und Lebensverhältnisse, die bisherige Gepflogenheiten und Vorstellungen überschreiten. Auf Seite 28 stellen wir Ihnen ein neues Initiativprojekt vor, den Fonds Wanderlust für internationale Theaterpartnerschaften. Mit ihm unterstützen wir Aktivitäten von Theatern, die über ihre tägliche Arbeit für die städtischen Bühnen vor Ort hinaus die Zusammenarbeit mit Theatern in aller Welt suchen und intensivieren wollen. Oliver Müller und Frank Pauly geben in ihrem nachdenklich stimmenden Beitrag Ecce Cyborg auf Seite 32 einen Einblick in die bedenklichen Entwicklungen, die mit der Perfektionierung des Menschen auf dem Wege des medizinisch-technischen Fortschritts schon jetzt absehbar sind. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit sind die fiktiv-phantastischen Cyborg-Figuren aus Film und Literatur in der Wirklichkeit angekommen. Hermann Goltz stellt mit seinem Porträt des von Franz Werfel zum »Schutzengel der Armenier« erklärten Johannes Lepsius diesen einem breiteren Publikum vor. Sein Lebenswerk bestand in der Aufklärung über das Schicksal der Armenier. Dessen Bewertung und Anerkennung verlangt immer noch die Anstrengung historischer Aufarbeitung eines dunklen Kapitels europäischer Geschichte.
Nach drei Ausgaben endet unsere Kolumne zu den Einwort - Phrasen von Burkhard Müller, die viele unserer Leserinnen und Leser vermissen werden. Sie wissen nun Bescheid, womit wir bei unserer täglichen Arbeit (auch) zu tun haben und vermutlich weiter zu tun haben werden: dem Jargon kultureller Absichten und Vorhaben, die sich offenbar schwer auf präzise Begriffe bringen lassen. Wir danken Burkhard Müller für vergnügliche Lektüren und neue Einsichten.
Die Bildstrecke in dieser Ausgabe entstand in Zusammenarbeit mit dem Zeichner Andree Volkmann, den das Thema ›Arbeit‹ zu Schmetterlingsbildern inspiriert hat — eine Assoziation, die so ungewöhnlich wie einleuchtend ist, wenn Sie die Erläuterungen unten auf dieser Seite lesen. Nur in einem Beitrag geht es wirklich nicht um Arbeit: in den Nichteuklidischen Bagatellen des ungarischen Schriftstellers Attila Bartis. Keine Kleinigkeit, die er Ihnen zumutet.