Spielzeuge für Erwachsene

Ein Gespräch zwischen der Kunsthistorikerin Nike Bätzner und dem Sammler Werner Nekes

Ein Gespräch zwischen der Kunsthistorikerin Nike Bätzner und dem Sammler Werner Nekes


Nike Bätzner: Herr Nekes, Sie sammeln Objekte, die so wunderbare Namen tragen wie Lebensrad, Wunderscheibe, Täuschungsseher - wie entstand beim Filmemacher Nekes diese Leidenschaft für alte optische Geräte?
Werner Nekes: Ich habe in den 70er Jahren in Hamburg unterrichtet und wurde gebeten, einen Aufsatz für die Hamburger Filmgespräche zu schreiben. Das war das erste Mal, dass ich mich intensiv mit der Herkunft meines Mediums beschäftigte. Bei den Überlegungen zu den Entwicklungsmöglichkeiten der filmischen Sprache wurde mir klar, dass sich in der Geschichte des Films die Differenzen zwischen den Bildern ständig vergrößerten. Außerdem fiel mir auf, dass die Zuschauer eine schnellere Sehfähigkeit entwickelt hatten, mit der sie auch größere Sprünge zwischen den Bildern verstanden. Bei meinen Recherchen für den Aufsatz stieß ich auf das Thaumatrop (die Wunderscheibe), ein optisches Spielzeug, das von dem englischen Arzt John Ayrton Paris 1825 erfunden wurde. Auf der Vorderseite einer kleinen Pappscheibe sitzt ein Vogel, auf der Rückseite ist ein Käfig abgebildet, und bei schneller Rotation der Scheibe sitzt der Vogel im Käfig. Diese Gestaltverschmelzung entspricht der größtmöglichen Informationsübertragung beim Film. So begann ich mich inspirieren zu lassen von all diesen seltsamen optischen Spielzeugen, die auch "philosophical toys" genannt wurden, um zu sehen, inwieweit sich Prinzipien aus vorfilmischer Zeit für den Film verwenden lassen oder ob sie sogar schon verwendet werden.

Nike Bätzner: Waren diese "philosophischen Spielzeuge" nur für Erwachsene gedacht, zwar pädagogisch wertvoll, aber eher etwas für Spezialistenclubs als für Kinder?

Werner Nekes: Auch Erwachsene erforschen die Welt spielerisch. Diese Spielzeuge nutzen die Trägheit der Wahrnehmung aus und führen zu einer Bewusstwerdung und Popularisierung von visuellen Effekten.

Nike Bätzner: Stand für Sie immer die Entwicklungslinie zum Film im Vordergrund?
Werner Nekes: Das war zu diesem Zeitpunkt so. Ich habe damals Experimentalfilme gedreht und versucht, die immanenten Montagemöglichkeiten des Films zu nutzen und den Film als ein Medium zu begreifen, das zwar wie ein Gedicht Inhalte transportiert, also nicht in einer linear erzählerischen Form. Ich wollte die strukturellen Bedingungen, die ebenfalls Inhalte übertragen, erforschen und den Film als ein Instrument nutzen, um bisher Unsichtbares dem Auge sichtbar zu machen.

Nike Bätzner: Ich finde es bemerkenswert, dass diese altertümlichen optischen Geräte uns heute immer noch faszinieren können, wo wir doch längst ganz andere Technologien und Geschwindigkeiten gewohnt sind. Woran liegt es, dass diese Apparate immer noch so spannend sind?
Werner Nekes: Die Geräte sind von Hand zu bedienen, mechanisch zu manipulieren und dadurch sofort einsichtig - da ist nichts auf Platinen verlötet, so dass man den Überblick verliert. Jeder könnte das Gerät für sich nachbauen.

Über den Sammler Werner Nekes

Werner Nekes, 1944 in Erfurt geboren und im Ruhrgebiet aufgewachsen, besitzt eine der größten Sammlungen zur “Geschichte der Bilderzeugung“ in ganz Europa, mit der er in einem ehemaligen Fabrikgebäude in Mülheim an der Ruhr lebt. Als Filmemacher wurde Nekes zu einer Kultfigur des Experimentalfilms. Sein epochaler, vielfach ausgezeichneter Film Uliisses (1980/82) hat als eine homerische Reise durch die Geschichte des Kinos buchstäblich Filmgeschichte geschrieben.

Die Ausstellung Blickmaschinen

Die Ausstellung “Blickmaschinen“ im Museum für Gegenwartskunst Siegen versammelt Objekte aus der Sammlung Werner Nekes’ und stellt sie zeitgenössischen Arbeiten von Künstlern gegenüber, die sich ebenfalls mit optischen Experimenten beschäftigen: In raumgreifenden Installationen und Projektionen, in begehbaren Kaleidoskopen und in kontemplativen Wunderkammern entstehen bewegte, delirierende und diskrete Bilder über Bilder.

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