Das Heidi

Was haben Heidi und das in der gleichnamigen Erzählung vermittelte romantische, idyllische Bild der Schweiz mit unserer Gegenwart zu tun? Dieser Frage geht Autorin und Regisseurin Katharina Kummer gemeinsam mit dem Rapper Volkan T., der Musikerin und Performerin Carina Wohlgemuth, der Performerin Silja Korn und der Puppenspielerin Uta Lindner im puppentheatralen Musical „Das Heidi“ nach.

Ausgangspunkt ist die in Johanna Spyris Roman von 1880/1881 idealisierte Erfahrung des einfachen, aber erfüllenden Lebens in unberührter Naturkulisse, dessen Beschreibung den Kindheitserinnerungen vieler Menschen mit Migrationsgeschichte ähnelt. Eine Verbindung zwischen Roman und Realität besteht auch durch die schmerzliche Erfahrung, aus einer idealisierten Kindheitswelt in eine als unwirtlich empfundene Stadt geworfen zu sein, in der selbst kleine Flecken Natur abgesteckt und organisiert wirken. Das Musical verunortet dieses Gefühl von Heimat(-verlust) ausgehend vom Heidi-Stoff und verwebt es collagenartig mit Erfahrungen von heute. Interviews mit Erwachsenen sowie Kindern aus der Berliner Grundschule am Roederplatz werden zum Ausgangsmaterial für die Überschreibung des weltbekannten Kinderromans. Die Schulklasse begleitet den gesamten Produktionsprozess durch eine eigene Projektwoche und Probenbesuche. Die Schülerinnen und Schüler werden zu Paten der Stückentwicklung.

Einen zweiten inhaltlichen Fokus legt die Inszenierung auf die ableistisch geprägte Erzählung der auf einen Rollstuhl angewiesenen Figur Klara, die die Heilung als höchstes Ziel behinderter Menschen darstellt. In Zusammenarbeit mit der blinden Performerin Silja Korn und unterstützt von Expertinnen und Experten aus der Community von Menschen mit Behinderungen will „Das Heidi“ dieses Narrativ auf inhaltlicher Ebene durchbrechen. Darüber hinaus wird eine Audiodeskription als künstlerische Komponente ab Produktionsbeginn mitentwickelt.

Die ehemals enge Zusammenarbeit zwischen Theater o.N. und der Puppenspielabteilung der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch soll durch die Kooperation wieder neue Impulse erhalten und in der Folge auch nachhaltig weitergeführt werden. Studierende verschiedener Jahrgangsstufen werden Figuren- und Objekttheaterstücke im Theater o.N. besuchen und mit den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern diskutieren. Darüber hinaus übernimmt die Regisseurin und Autorin Kummer die Leitung eines Seminars, in dem sie mit Studierenden am Heidi-Stoff modellhaft Übungen zu Textgewinnung und Materialsuche durchführen wird und ihnen Einblicke in die Probenarbeit gewährt.