Geschichten vom Nullpunkt einer Gesellschaft
Die Isländersagas in freier Erzählung
Die Isländersagas gehören zu den Urtexten frühmittelalterlicher Literatur und sind einzigartige Kunstwerke der isländischen Kultur. Im Gegensatz zu den klassischen Sagen der nordischen Mythologie kommen jene Erzählungen ohne phantastische Elemente aus: Sie berichten von der Entstehung und Entwicklung der frühen isländischen Gesellschaft in den Jahren 930 bis 1030, als die ersten Siedler auf die Insel kamen; sie erzählen von deren Konflikten um die Aufteilung des Landes und von den ständigen Kämpfen gegen extreme Naturgewalten. Die Geschichten kreisen sämtlich um jenen sozialhistorischen "Nullpunkt" einer Gesellschaft.
In Island selbst sind die Sagas noch heute allgegenwärtig, darüber hinaus sind sie aber weitgehend unbekannt. Um die Isländersagas auch einem deutschsprachigen Publikum zu erschließen und das Potenzial freien Erzählens für die literarische Tradition und Wissensvermittlung in Europa aufzuzeigen, lud Klaus Sander die isländische Bevölkerung an historische Schauplätze, damit sie dort ihre Sagas noch einmal erzählen. Die Geschichten wurden anschließend übersetzt, kompiliert und als Audiobuch veröffentlicht - als lebendige Vergegenwärtigung mündlich tradierter Literatur. Vermittler und Übersetzer auf dieser Reise war Arthur Björgvin Bollason, der ehemalige Leiter des Isländischen Sagamuseums.
Die Veröffentlichung der Saga-Aufnahmen begann im Frühjahr 2011 mit den Erzählungen zweier großer Isländersagas: Arthúr Björgvin Bollason erzählt "Die Saga von Njáll" (Njáls saga) über den Helden Gunnar, dem eine Ohrfeige, die er seiner Frau gibt, zum Verhängnis wird, und seinen Freund Njáll, den größten Rechtskenner seiner Zeit, der mit seiner Familie einem "Mordbrand" zum Opfer fällt. Sigrún Valbergsdóttir erzählt "Die Saga der Leute aus dem Lachsflusstal" (Laxdæla saga), den Nachkommen der ersten Siedlerin Islands, die tragische Liebeshändel und Familienfehden austragen, in deren Hintergrund sich die in der europäischen Geschichte einzigartige, unblutige Christianisierung Islands im Jahre 1000 vollzieht.
Im Herbst 2011 folgte der zweite Teil der Saga-Aufnahmen mit der "Grettis Saga" und der "Egils Saga".
Künstlerische Leitung, Konzeption & Regie: Thomas Böhm und Klaus Sander
Erzähler: Arthúr Björgvin Bollason, Sigrún Valbergsdóttir, Klaus von See, Einar Kárason, Kristof Magnusson, Julia Zernack, Árni Björnsson, Kristín Steinsdóttir, Gísli Már Gislason, Halldór Laxness
Aufnahmen: Klaus Sander
Schnitt: Michael Schlappa, Anja Theismann
Produktion: supposé 2011