The Post-Communist Condition
Von Anne von der Heiden
Kunst und Kultur haben sich in den Ländern Osteuropas unter anderen Bedingungen entwickelt als im Westen. So sehr diese Feststellung mittlerweile zu einem Allgemeinplatz geworden ist, so wenig sind die historischen und aktuellen Verhältnisse der Kulturproduktion in den ehemals sozialistischen Staaten bisher untersucht worden.
Ein zentrales Thema des Projektes ist zum Beispiel das Verhältnis von öffentlichem und privatem Raum. Ein Kunstmarkt mit Galerien, Kunstvereinen, Sammlern und Kunstpublikationen hat in den osteuropäischen Ländern nicht in der Weise existiert wie im Westen. Dies und die politische Steuerung künstlerischen Schaffens gemäß der Doktrin des "Sozialistischen Realismus" ließen osteuropäischen Künstlern einen öffentlichen Markt als erstrebenswerte Utopie erscheinen. Er bildete den Gegenentwurf zu einem gesellschaftlichen Nischendasein, zu dem sich gerade die Künstler gezwungen sahen, die sich der offiziellen Kunstdoktrin nicht unterworfen haben. Das Ende des kommunistischen Regimes und die Einführung marktwirtschaftlicher Gesellschaftsstrukturen brachte einen neuen öffentlichen Raum hervor und konfrontierte so die Kunst- und Kulturschaffenden mit neuen Bedingungen und Herausforderungen.
Ein Forum mit Wissenschaftlern und Künstlern aus Ost und West untersucht die Modernisierungsprozesse des Kommunismus und der postkommunistischen Zeit. Dabei geht es vor allem um die Frage, welche Folgen die Transformation des osteuropäisch kommunistischen Modells in das westlich-kapitalistische Modell für Kultur und Kunst in den osteuropäischen Ländern hat.
Das Projekt besteht aus drei Modulen:
Forschungsprogramm
15 Stipendiaten aus Osteuropa untersuchen in einzelnen Recherchen die derzeitige Situation von Kultur und Gesellschaft in den postkommunistischen Ländern.
Einige Analysen setzen regionale Schwerpunkte und beschäftigen sich beispielsweise aus soziologischer Sicht mit der Veränderung der Situation der Künstler in Bulgarien nach der Wende, andere richten ihr Augenmerk auf bestimmte Medien, zum Beispiel fragen sie, wie der künstlerische und dokumentarische Film den Umbruch und die ökonomische und gesellschaftliche Realität heute reflektiert. Andere Arbeiten untersuchen das Wechselwirkungsverhältnis zwischen künstlerischen und philosophischen Konzepten in Osteuropa und zentralen, westlichen Theorieansätzen, wie dem Poststrukturalismus oder den Cultural Studies und reflektieren kritisch die ideologischen Implikationen der Verwendungsweise der Begriffe kulturelle Identität, Universalität, Freiheit und Markt. Die aus diesen Forschungsarbeiten hervorgehenden Texte werden im Rahmen des Übersetzungs- und Publikationsprogramms veröffentlicht.
Übersetzungs- und Publikationsprogramm
Für eine Publikationsreihe werden zentrale kultur- und kunsttheoretische Texte aus Osteuropa übersetzt und erstmals einer deutschsprachigen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der erste Band setzt sich mit den biopolitischen Utopien des Russland der Jahrhundertwende und der zwanziger Jahre auseinander, der zweite enthält Schriften zur Kunst der Avantgarde, und im dritten Band befassen sich Autoren aus Ost- und Westeuropa mit künstlerischen und kulturellen Entwicklungen in post-kommunistischen Gesellschaften.
Ausstellung "Privatisierungen"
Unter dem Titel "Privatisierungen" fand im Berliner KW von Mai bis Juni 2004 eine Kunstausstellung zum Thema "Postkommunismus" statt. Ausgestellt wurden Film- und Videoarbeiten osteuropäischer Künstler; u. a. Arbeiten der Künstler Dimitrij Gutov, Olga Chernycheva, Anri Sala und Nedko Solakov. Mit dieser Ausstellung verbunden war auch ein Fachkongress zum selben Thema.
Träger des Projekts ist das ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe. Geleitet wird es von dem an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung lehrenden Professor für Philosophie und Medientheorie Boris Groys.
Kontakt
Zentrum für Kunst und Medientechnologie
Prof. Dr. Boris Groys, Projektleiter
und Anne von der Heiden,
wissenschaftliche Geschäftsführerin
Lorenzstr. 19
D-76135 Karlsruhe