Der 100.000 Euro Job

Kulturprojekte von Jugendlichen zum Thema "Arbeit in Zukunft"

Wie blicken Jugendliche heute auf die Biografien ihrer Eltern? Wie sehen ihre Wunschberufe aus? Sind Geld, Karriere oder Selbstverwirklichung oder alles zusammen wichtig? Gibt es - angesichts der rasanten Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt - neue Ideen und Wünsche für die eigene oder sogar die gesellschaftliche Zukunft?

Solche Fragen waren Thema des Projekts "Der 100.000 Euro Job", einer bundesweiten Ausschreibung für Jugendliche, die die Kulturstiftung des Bundes initiierte. Träger des Projektes waren die "Visionauten" in Leipzig unter der Leitung von Sebastian Sooth - Gründer und Projektleiter der bundesweiten Servicestelle Jugendbeteiligung, Mitentwickler von Youth Bank Deutschland, Projektleiter des EU-Pilotprojekts "Netzwerkstatt - Stadtnetzwerk für Jugend und Politik" und Programmkurator von "Berlin 05 - Festival für Junge Politik".

Durch eine Ausschreibung im deutschsprachigen Raum konnten sich Jugendliche zwischen 16 und 26 Jahren bis zum 30. Juni 2006 alleine oder als Gruppe mit einer Idee zu einem künstlerischen Projekt zum Thema Arbeit um den 100.000 Euro Job bewerben. Der Titel "Der 100.000 Euro Job" klingt nach schnellem Geld, er entspricht vielen ähnlichen Lockangeboten in Kleinanzeigen oder Massen-SMS. Hier entpuppt er sich jedoch als Job, den sich die Interessierten mit vielen weiteren jugendlichen Bewerber/innen untereinander aufteilten - nämlich als Förderfonds, in dem die Jugendlichen selbst über die Vergabe von Fördergeldern entscheiden konnten.

Gesucht wurden originelle, experimentierfreudige, ungewöhnliche Projektideen, Geschichten und Visionen, mit denen die Jugendlichen auf ihre Weise Fragen, Wünsche und Thesen zum Thema Arbeit formulieren. Alle Formate waren zugelassen - von Video, Performance und Fotostories über Drehbücher, Rapkompositionen und Kurzgeschichten bis hin zu Theaterstücken und öffentlichen Aktionen. Die Jugendlichen wurden animiert, kreativ tätig zu werden und ästhetische Formen für den Umgang mit einem Thema zu entwickeln, das sie selbst in ihrem täglichen Lebensumfeld existentiell betrifft.

Die Projekte der Jugendlichen wurden von September 2006 bis Ende Januar 2007 in folgenden Städten präsentiert: Altdorf, Berlin, Bonn, Bremen, Duisburg, Düsseldorf, Eichstätt, Frankfurt, Halle an der Saale, Hamburg, Karlsruhe, Köln, Leipzig, Lutherstadt Wittenberg, München, Oldenburg, Parchim, Pirmasens, Potsdam, Pritzwald, Quierschied, Regensburg, Riegelsberg, Salzmünde, Senftenberg, Tessin, Trier, Weimar und Zwenkau.

Nachfolgend eine Auswahl an Projekten aus dem 100.000 Euro Job:

Arbeit im Jahre 2107

Performance, Zwenkau/Sachsen

Der Begriff Modenshow wurde bei diesem Projekt neu definiert. Ein Wettbewerb forderte junge Kreative dazu auf, an einem Designprozess teilzunehmen, der sich mit dem Thema "Arbeit in Zukunft" beschäftigt: Wird Kleidung zukünftig Arbeit erleichtern? Ist der Monitor zukünftig am linken Ärmel integriert und am rechten Unterarm die Tastatur? Oder passt sich die Arbeitsuniform etwa an die Außentemperatur an? Nach der Auswahl der besten Entwürfe wurden die Teilnehmer mit einem Starterpaket von 5 kg Stoff aus der Altkleidersammlung ausgestattet.

Auf Speed ... Auf Koks ... Auf Arbeit

Internetseite, Berlin

Slogans wie "Keine Macht der Arbeit", "Sport statt Arbeit", "Triff deine Entscheidung - Gib Arbeit einen Korb" sind nur der erste Schritt um zu zeigen, dass mit Arbeit keine fröhliche Zukunft zu gestalten ist. Sich der Arbeit hinzugeben heißt nicht selten Vernachlässigung der Familie, Betrug seiner besten Freunde, Krankheit, Armut und am Ende steht oft sogar der Tod. Bei jungen Leuten ist es am Anfang oft nur Neugier, die Suche nach Anerkennung oder die Flucht vor Problemen, doch schnell kommt die Last der Abhängigkeit, Sorge und Geldnot. Es gibt zahlreiche Berichte von Aussteigern aus der Arbeitsszene, die davon erzählen, wie lang und hart der Weg war, wieder ohne zu leben, wieder zu fühlen und unabhängig zu sein. Das Projekt "Auf Speed ... Auf Koks ... Auf Arbeit" sollte grundlegende Aufklärungsarbeit leisten, denn Arbeit macht abhängig und kann Wahnvorstellungen auslösen! Eine Internetseite informierte über Risiken, körperliche und psychische Abhängigkeit, Alternativen und Präventionsmaßnahmen: humanvital.de

Ich und die Anderen

Kurzfilm, Oldenburg/Niedersachsen

Paul ist zwanzig, in der Blüte seines Strebens. Er hat einen gut bezahlten Job, eine Freundin und digitales Fernsehen. Und weil das so ist, lässt er keine Gelegenheit aus, dies seinen Mitmenschen mitzuteilen. Ob er schlau Sätze auswendig lernt, um andere Menschen zu beeindrucken, einen heißen Flirt an der Bar mit medizinischen Fachbegriffen schmückt, oder dem Busfahrer erklärt, wie er die Route zu fahren hat - Paul weiß alles - und vor allem alles besser. Als er eines Tages vollkommen überraschend von seinem Chef gefeuert wird, gerät sein vermeintlich überlegener Lebensstil ordentlich ins Wanken. Und als ihn seine Freundin verlässt und ihm der unfähige Sachbearbeiter im Arbeitsamt deshalb auch noch Liebestipps geben will, wird Paul klar, dass sich in seinem Leben etwas radikal ändern muss.

Kauf dich frei!

Film, Berlin

Wer ist wirklich unentbehrlich? - Am Anfang steht die Frage: Können wir ihren Angestellten freikaufen? Menschen mit möglichst unterschiedlichen Berufen wurden auf der Straße und an ihrem Arbeitsplatz angesprochen - auf der Suche nach drei Kandidaten für ein Gewinnspiel. Als Preis winkte ihnen nicht mehr und nicht weniger als Zeit ohne Arbeit. Somit führte der erste Weg zum Arbeitgeber. Diesem wurden 1.000 Euro dafür angeboten, dass er den Kandidaten, bei Fortzahlung des Gehalts, von seiner Arbeit befreit. Willigte er ein, wurden Verhandlungen über die Zeitspanne, die den Kandidaten zur freien Verfügung stehen würde, geführt: eine verlängerte Mittagspause, zwei Tage, einen Monat oder länger? Diese Verhandlungen, auch wenn sie scheiterten, wurden von einem Kamerateam dokumentiert.

WAS IHR SOLLT und wie [H]einer die Welt sah

Theaterstück, Berlin

Arbeit gab es, gibt es und wird es geben. Aber ihre Form wandelt sich. Im Projekt "WAS IHR SOLLT und wie [H]einer die Welt sah" basierend auf dem Stück "Der Lohndrücker" von Heiner Müller wurden die Arbeitsformen der Jahre 1948 und 2006 einander gegenübergestellt: Ort der Handlung ist eine Baustelle. Dabei spielt die erste Fassung im "real existierenden Sozialismus" der DDR, die zweite in der "sozialen Marktwirtschaft" der BRD. 1948 plagen Materialmangel, Aufbauideologie und Normen die Arbeiter, 2006 sind es Rationalisierungen, Existenzängste und die Senkung der Lohnnebenkosten. Am Ende des Projektes stand ein Doppelstück, das in jeweils 45 Minuten die gleichen Charaktere in verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Systemen zeigte. Die große Frage dabei: Gibt es einen wirklichen Unterschied?

Wer hat die Brezel gemacht?

Druck, Fotografie, Karlsruhe / Baden-Württemberg

Wer hat die Brezel gemacht, in die ich gerade hineinbeiße? Leute, die an der Produktion von Backwaren einer ausgewählten Bäckerei beteiligt waren, wurden während ihrer Arbeit fotografiert, die Fotos auf Bäckertüten gedruckt. Personen, die sonst im Hintergrund arbeiten, sollten auf diese Weise mehr Aufmerksamkeit bekommen: Vom Bauern über Müller und Lieferant bis zum Bäcker. Elisabeth: "Ein persönliches Erlebnis brachte mich auf die Idee: Ich war zu Besuch in einer Kleinstadt, dort aß ich ein Brötchen und las währenddessen den Text hinten auf der Tüte. Der letzte Satz war: "Unser derzeitiges Getreide kommt aus Orsingen vom Landwirt Roth". Landwirt Roth - das ist mein Onkel! Ich war total überrascht über diese persönliche Beziehung zu einem ansonsten anonymen Produkt."
Um anderen ein ähnliches Erlebnis zu ermöglichen, wurden zunächst acht Fotos auf 16.000 Tüten gedruckt und in Umlauf gebracht. Eine Bäckerei in Karlsruhe, in der die Fotos gemacht wurden, hat ihren Kunden mehrere Wochen lang die Backwaren in diese Tüten eingewickelt. Die Fotos wurden zusammen mit weiteren Aufnahmen von Mitarbeitern der Produktionskette in einem Ausstellungsraum in Karlsruhe präsentiert.

Das Buch "Der 100.000 Euro Job"

Das Buch "Der 100.000 Euro Job" ist weit mehr als nur eine Dokumentation des Projektes. Es gibt praktische Tipps, wie man Arbeit ins eigene Leben sinnvoll integrieren kann: beim Ferienjob auf dem Milchhof, einem Leben als Netzarbeiter der Digitalen Bohème oder als Vorband von "The Clash". Es handelt von Alterssicherung auch in jungen Jahren, von Strategien zur Vermeidung von Karoshi, dem Tod durch Überarbeiten, und von Ideen, was man alles mit 100.000 Euro anstellen kann. Weiterhin werden die 47 Projekte des 100.000 Euro Jobs und das Konzept "selbst über Fördermittel entscheiden" vorgestellt und vom Supatopcheckerbunny kommentiert. Das Buch erscheint im März 2008. Hg.: Sebastian Sooth. Verbrecher Verlag. ISBN: 978-3-940426-00-0

Die geförderten Projekte

Jugendliche haben per Internet über die aus ihrer Sicht förderungs- würdigen Projekte aus dem Pool des 100.000 Euro Job entschieden. Die von den Jugendlichen verfassten Kurzbeschreibungen dieser Projekte lesen Sie hier.

Projektkatalog 100.000 Euro Job (öffnet neues Fenster)

Kontakt

Sebastian Sooth

Körnerstraße 56

04107 Leipzig

www.100.000-euro-job.de (externer Link, öffnet neues Fenster)