Made to Measure

Ein künstlerisches Datenexperiment der Gruppe Laokoon

MADE TO MEASURE | Die interaktive Website

MADE TO MEASURE feierte am 29. August 2021 Premiere in unserer Reihe "Labore des Zusammlebens" und ist jetzt unter www.madetomeasure.online (externer Link, öffnet neues Fenster) zu erleben. 

Projektbeschreibung

Google, Facebook und Co kennen dich besser als dein Partner oder deine Familie – so tönte es schon vor Jahren aus dem Silicon Valley. Noch umfangreicher sind seither die Datensätze geworden, die Tech-Unternehmen über jede Einzelne bzw. jeden Einzelnen von uns besitzen, und noch lernfähiger die Algorithmen, die damit die Persönlichkeit eines jeden Menschen studieren und dessen Verhalten vorhersagbar machen sollen. Das kann fatale Folgen haben. Denn die so genannten Micromoments, in denen Menschen maßgeschneiderte Werbung empfangen, sind oft Momente besonderer Verletzlichkeit, Unsicherheit oder Orientierungslosigkeit. Wie berechenbar sind wir also?

Mit dem Projekt MADE TO MEASURE, das die Künstlergruppe Laokoon und die Kulturstiftung des Bundes im Rahmen der Labore des Zusammenlebens initiiert und entwickelt haben, unternahm Laokoon ein künstlerisches Datenexperiment und hat – allein durch Analyse der Daten, die Google über einen Menschen gesammelt hat – ein Double aus Fleisch und Blut in Gestalt einer Performerin erschaffen. Nicht die äußerliche Ähnlichkeit (allein) macht diese dabei zur Doppelgängerin: Es sind auch die Muster, Eigenheiten, Wünsche, der Humor, aber auch die Schwächen, Ängste und Unsicherheiten des Menschen hinter den Daten.

Über einen Open Call motivierte Laokoon im Sommer 2020 Menschen aus ganz Europa, Suchmaschinen und Social Media zur Herausgabe ihrer persönlichen Daten aufzufordern und diese für das Experiment zur Verfügung zu stellen. Aus über 100 Datenspenden wurde ein Datensatz ausgewählt und daraufhin allein anhand der Online-Daten eine Doppelgängerin kreiert: Zusammen mit einer Schauspielerin und einer Datenanalystin erweckte Laokoon die in den Daten verborgenen Geschichten zum Leben. Bis ins kleinste Detail rekonstruiert, inszenierte und verfilmte Laokoon Stationen der Datenspenderin der letzten fünf Jahre auf der großen Bühne von PACT Zollverein Essen. Wenige Monate später kam es dann zur Begegnung zwischen dem Original und seinem datafizierten Double. Das gefilmte Reenactment, die Interviews mit der Teilnehmerin und ihrer “Doppelgängerin”, die Begegnung der beiden sowie weiteres filmisches Material stellen die Grundlage der audiovisuellen Erzählung des künstlerischen Datenexperiments dar.

Mit MADE TO MEASURE führt Laokoon das Experiment in den digitalen Raum zurück: Eine interaktive Storytelling-Website macht auf Basis des filmischen Materials auf sinnliche und sehr persönliche Weise erfahrbar, welche Schlüsse über die Persönlichkeit eines Menschen und sein künftiges Verhalten durch Algorithmen möglich werden. Laokoon erfindet mit der Webexperience ein komplexes digitales Erzählen im und über das Netz. MADE TO MEASURE, das neben der Website auch eine TV-Dokumentation von Laokoon über Potenziale und Risiken der algorithmischen Persönlichkeitsermittlung und Verhaltensvorhersage beinhaltet, macht so eindrucksvoll deutlich, wie weitreichend die Einblicke in unser Seelenleben und unsere intimsten Geheimnisse sind, die wir Google, Facebook und Co. jeden Tag gewähren. Und es stellt große philosophische Fragen: Ist die Idee der Autonomie des Einzelnen im Zeitalter des datengetriebenen Kapitalismus überholt? Wer bestimmt, wer wir sind und für wen wir uns halten?

MADE TO MEASURE ist eine Kreuzung aus Datenexperiment, Schauspiel, künstlerischer Recherche und journalistischer Investigation. Für das in dieser Form weltweit bisher einzigartige Projekt arbeitete die Künstlergruppe Laokoon u.a. mit Datenanalystinnen, Insidern aus der Online-Werbebranche, Hackern, Programmierinnen und Webdesignern zusammen.

Online unter www.madetomeasure.online (externer Link, öffnet neues Fenster) und in der SRF Mediathek (externer Link, öffnet neues Fenster)!

MADE TO MEASURE wurde initiiert und entwickelt von der Gruppe Laokoon und der Kulturstiftung des Bundes; in Koproduktion mit WDR, SRG SSR, Docmine, rbb und OSZE Beauftragte für Medienfreiheit; analog umgesetzt in Kooperation mit PACT Zollverein (Essen); mit der freundlichen Unterstützung von Kulturhaus Brotfabrik in Wien, vorAnker und der Universität für Angewandte Kunst Wien sowie Starts in Motion.

Termine im Überblick

  • Premiere des Projekts in Labor #5 unserer Reihe Labore des Zusammenlebens: 29. August 2021
  • TV-Dokumentation in der ARD-Mediathek: seit 29. August 2021
  • Erstausstrahlung SRG SSR (SRF Sternstunde Philosophie, linear sowie in der Mediathek): 29. August 2021
  • Erstausstrahlung im WDR Fernsehen (linear): 1. September 2021, 22.15 Uhr
Porträtbild von Laokoon. Die drei Künstler blicken offen und leicht lächelnd in die Kamera

Über Laokoon

Unter dem Label Laokoon widmen sich Moritz Riesewieck, Hans Block und Cosima Terrasse (v.l.n.r.) künstlerischen und crossmedialen Projekten mit dem thematischen Schwerpunkt Digitalität und Gesellschaft. Cosima Terrasse entwickelt partizipative Performance-Projekte und lehrt am Social Design Studio der Universität für angewandte Kunst in Wien. Block und Riesewieck sind Theater- und Dokumentarfilmregisseure sowie Autoren. Ihr Debütfilm „The Cleaners“ über die Schattenindustrie der digitalen Zensur in Manila feierte 2018 beim Sundance Film Festival seine Weltpremiere und erhielt seither zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen, darunter eine Nominierung für den Emmy. Im Jahr 2020 erschien ihr Buch "Die digitale Seele".

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Labore des Zusammenlebens

Die Veranstaltungsreihe der Kulturstiftung des Bundes versammelte 2021 digitale Gespräche und künstlerische Projekte. Künstlerinnen und Theoretiker, Wissenschaftlerinnen und Akteure der kulturellen Praxis waren eingeladen, Szenarien unseres zukünftigen Zusammenlebens zu diskutieren.

Termine

Aktuell keine bevorstehenden Termine

Kontakt

Website MADE TO MEASURE / Künstlergruppe Laokoon

www.madetomeasure.online (externer Link, öffnet neues Fenster)

Dr. Jeanne Bindernagel

Programmentwicklung
Kulturstiftung des Bundes
Franckeplatz 2
06110 Halle (Saale)
E-Mail an Dr. Jeanne Bindernagel