Vergessen – Warum wir nicht alles erinnern

Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt

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„Vergessen“ war die zweite Wechselausstellung im 2017 fertig gestellten Neubau des Historischen Museums Frankfurt. Sie war richtungsweisend für die Neuorientierung des Hauses, das sich den Herausforderungen der Stadtgesellschaft des 21.Jahrhunderts stellt und zukunftsfähige Erinnerungsarbeit leisten will. Das Museum rückte das Vergessen als einen Aspekt des Gedächtnisses in den Fokus und nahm es als ein großes, globales Gesellschafts- und Geschichtsthema wahr. Galt es lange Zeit als vorrangige kulturelle Aufgabe, historische Ereignisse dem vermeintlich „natürlichen“ Vergessen zu entreißen, wird im digitalen Zeitalter angesichts des unerbittlichen Gedächtnisses des Internets das Recht auf Vergessen zu einer aktuellen Forderung. Umgekehrt wird durch alle Zeiten und in vielen Gegenden der Welt ein politisch motiviertes ‚Vergessen‘, die Unterdrückung, das Verschweigen von unliebsamen, unbequemen Wahrheiten praktiziert. Von der „Gedächtniskrise“ der digitalen Gegenwart aus spannte die Ausstellung ihre Themen zurück bis zur ersten Gedächtniskrise der säkularisierten und industriellen Moderne vor 200 Jahren. Die Erforschung des Gehirns vollzog sich seit 1800 im Gleichschritt mit der Entstehung der modernen Gedächtnis-Institutionen Museum, Archiv und Bibliothek. Schon die Ausbildung der modernen Nationen ist mit kollektivem Erinnern und Vergessen verbunden. Das 20. Jahrhundert ist von Verbrechen bis hin zum Völkermord im Kontext der Weltkriege und des Kolonialismus durchzogen, die bis heute tiefe gesellschaftliche wie individuelle Gedächtnis-Konflikte um Erinnern und Vergessen erzeugen. Den politischen Ausprägungen des Vergessens ging die Ausstellung ebenso nach wie lebens- und neurowissenschaftlichen oder psychologischen Aspekten. Sie war in elf Formen des Vergessens gegliedert: Vergesslichkeit, Erneuern, Vergessen im Gehirn, Hilfen gegen das Vergessen, Löschen, Entwerten, Leugnen und Schweigen, Überschreiben, Heilendes Vergessen, Verzeihen und das Recht auf Vergessenwerden. Die Ausstellung berücksichtigte all diese unterschiedlichen Erscheinungsformen, Strategien und Motive des Vergessens, indem sie neben thematisch einschlägigen Objektensembles aus der Sammlung des Museums Fall-Geschichten des Vergessens aus unterschiedlichen Wissensdisziplinen präsentierte. Ca. 20 internationale künstlerische Positionen der zeitgenössischen Kunst vertieften als eigenständige Erkundungen des Vergessens das Thema. Im Frühjahr 2019 fand eine wissenschaftliche Tagung mit internationalen Teilnehmern zum Thema Vergessen statt.

Idee: Jan Gerchow
Kuratoren: Jasmin Alley und Kurt Wettengl
Künstler/innen: Kader Attia (FR), Christian Boltanski, Jake & Dinos Chapman, Daniela Comani, Tacita Dean, Mark Dion (US), Hans-Peter Feldmann, Jochen Gerz, Martin Honert, Ilya Kabakov, Christina Kubisch, Boris Lurie, Arwed Messmer, Jana Müller, Adrian Paci (AL), Regis Perray, Maya Schweizer (FR), Tino Sehgal, Sigrid Sigurdsson (NO) u.a.

Öffentliches Symposium

Dynamiken des Erinnerns und Vergessens

Historisches Museum in Kooperation mit dem Sigmund Freud-Institut Frankfurt

Ziel der wissenschaftlichen Tagung ist es, unterschiedliche Perspektiven auf das Vergessen vorzustellen und in einen Dialog treten zu lassen.
Teilnehmer/innen: Prof. Dr. Christine Abbt; Prof. i. R. Dr. Aleida Assmann; Dr. Verena Boos; Prof. Dr. Astrid Erll; Jenny Erpenbeck; Dr. Jan Gerchow; Dr. Tilmann Habermas; Prof. Dr. Vera King; Ilany Kogan; Prof. Dr. Patrick Meurs; Prof. Dr. Hannah Monyer; Prof. Dr. Heinz Weiß; Dr. Insa Wilke (Moderation)

Konzeption der Tagung: Jasmin Alley und Kurt Wettengl

Termine

Aktuell keine bevorstehenden Termine

Vergangene Termine

  • 7. März, 2019 bis 14. Juli, 2019: Ausstellung

    Historisches Museum Frankfurt, Frankfurt am Main

Kontakt

Historisches Museum Frankfurt

Saalhof 1
60311 Frankfurt am Main

www.historisches-museum-frankfurt.de (externer Link, öffnet neues Fenster)