tanz!
Wie wir uns und die Welt bewegen
Erstmalig befasste sich eine große Sonderausstellung sowohl mit den ästhetischen, als auch mit den kulturellen und sozialen Facetten des Tanzes und des Tanzens. Das Projekt des Deutschen Hygiene-Museums nahm den Tanz gleichzeitig als eigenständige Kunstgattung wie als Bestandteil der Alltagskultur in den Blick – vor allem aber zeigte sie die Zwischenräume, in denen sich diese beiden Aspekte begegnen und beeinflussen.
Die Ausstellung setzte an bei den Spuren, die der Tanz im Körpergedächtnis des Einzelnen und im kollektiven Gedächtnis ganzer Kulturkreise hinterlässt. Es sind nicht nur die ausgeklügelten Notationssysteme der Tänzer und Choreografen, sondern auch die faszinierenden Artefakte und "Reliquien", mit denen dieses materielle und immaterielle Erbe gespeichert und tradiert wird. Ein weiterer Schwerpunkt war die elementare Dimension von Rausch, Ritual und Ekstase, die im Tanz seit alters her im Zusammenhang mit religiösen Praktiken zu beobachten ist und die in modernen Phänomenen wie Rave und Techno nach wie vor eine zentrale Rolle spielt.
Gesellschaftliche Konventionen und Normen von Körperlichkeit werden im Tanz häufig kommentiert und gebrochen. Ob Wiener Walzer, Rock 'n' Roll oder Punk – neuartige Bewegungsformen und Rhythmen bringen immer auch die Verhältnisse zum Tanzen und mischen die Beziehungen der Geschlechter und Generationen auf. So wie es in diesem Prozess von Ausgrenzung, Rebellion und Kommerzialisierung um die Entwicklung von personalen, sozialen und kulturellen Identitäten geht, wurde dem Tanz vor allem im 19. Jahrhundert bei der Bildung nationaler Identitäten eine wichtige Funktion beigemessen. Mit dieser politischen Indienstnahme des Tanzes gehen Mythologisierungen, Ideologisierungen und Missverständnissen einher, die in der Ausstellung kritisch hinterfragt wurden.
Tanz macht die verborgenen Muster des Zusammenlebens sichtbar und ästhetisch erfahrbar. Vom Ballett am Hof Ludwig des XIV. über die Tiller-Girls bis hin zur Performance, Breakdance oder Flashmob – im Tanz werden die Phantasien und Metaphern, Strukturen und Spielregeln wahrnehmbar, die in den anderen Bereichen unserer Gesellschaft, in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wirksam sind. Nirgendwo liegen Spaß und Erkenntnis so nah beieinander, wie im Tanz. Das zu vermitteln, ist eines der Ziele dieser Ausstellung.
Kuratorisch-szenografisches Konzept
Der Tanz ist ein flüchtiges und vergängliches Phänomen. Um ihm dennoch in seiner Dynamik und Komplexität gerecht werden zu können, entwickelte die Ausstellungen gleichberechtigte kognitive und physische Zugänge: Eine Wissens-Spur zeigte, wie der tanzende Mensch Kultur und Gesellschaft spiegelt und zugleich formt, während eine darin verwobene Tanz-Spur die Besucher in Bewegung versetzte, um den Tanz unmittelbar als Körperereignis erfahren zu können. Die sorgfältige Komposition von klassischen Exponaten und multimedialen Installationen, von Kunstwerken und performativen Stationen integrierte auch die Besucher/innen in die Szenografie der Ausstellung. Der Rundgang wurde zu einer performativen Aktivität, bei der man seine eigene "Choreografie" erfinden konnte. Auf diese Weise reflektierte die Ausstellung das zeitgenössische Denken über den Tanz und seine Relevanz für das menschliche Selbstverständnis. So wie der Tanz als eine spielerische Art und Weise betrachtete werden kann, sich die Welt kognitiv-körperlich anzueignen, wollte die Ausstellung mit ihren experimentellen Methoden ein tiefgreifenderes Verständnis für den tanzenden Menschen vermitteln.
Das aufwändige Begleitprogramm des Projekts entstand gemeinsam mit der Palucca Hochschule für Tanz, der Sächsischen Staatsoper und Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste und war geeignet, die Bestrebungen Dresdens um die Anerkennung als internationales Tanzzentrum zu unterstreichen.
Künstlerische Leitung: Colleen M. Schmitz
Szenografie: Prof. Dr. Axel Buether, künstlerischer Leiter; Julia Neubauer, studioberlin, Architektur; Schnellebuntebilder, Animationen und Interaktion; Timo Rieke, Grafikdesign
Künstler/innen: Aaron und Sam Taylor-Johnson, Akram Khan, Andreas Gursky, Auguste Rodin, Camille Claudel, Dan Graham, David Bowie, Elvis Presley, Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner, Gene Kelly, Gerda König, Grace Jones, Henry Chalfant, Josephine Baker, Katherine Dunham, Mary Wigman, Merce Cunningham, Pieter Bruegel der Ältere, Pina Bausch, Pussy Riot, Robert Longo, Robert Mapplethorpe, Rudolf von Laban, Sasha Waltz, Uday Shankar, Vaslav Nijinsky, William Forsythe, Xavier Le Roy, Yvonne Rainer u.a.
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen
Kontakt
Stiftung Deutsches Hygiene-Museum
Lingnerplatz 1
01069 Dresden