Projekt Migration
Projektbeschreibung
Ohne Migration würde es Deutschland und Europa in seiner historischen und derzeitigen Form nicht geben. Denn nicht erst seit dem 19. Jahrhundert zogen Menschen aus unterschiedlichen Regionen in die wachsenden Städte und Industrieregionen. Arbeits- und PendelmigrantInnen kamen schon nach Deutschland, als es diesen Nationalstaat noch gar nicht gab. Migrationsprozesse sind Teil der europäischen Erfahrung und der Geschichte der Nationalstaaten. Wie sehr Migration auf die Gesellschaft Einfluss genommen hat und für die Geschichte Deutschlands und den Europäisierungsprozess konstitutiv war, ist kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert. In Deutschland leben durch die in der BRD der Nachkriegsära forcierte Politik der Arbeitskräfteanwerbung und durch die Vertragsarbeitsregelungen der DDR über 5 Millionen Menschen mit komplexen Migrationserfahrungen. Sie haben die deutsche Geschichte, die Wirtschaft und die Alltagskultur maßgeblich mitgeprägt. Der Fall der Mauer hat neue Bewegungs- und Aufenthaltsmuster hervorgerufen, die seit 1989 globale Dimension annehmen und neue Perspektiven, Diskurse und Konfliktlinien eröffnen.
Das "Projekt Migration" hat sich zum Ziel gesetzt, die durch Migrationsbewegungen ausgelösten gesellschaftlichen Veränderungen darzustellen. Ausgangspunkt dafür ist die Geschichte der Arbeitsmigration, die so genannte Gastarbeit seit den 1950er Jahren. Statt von einer nationalstaatlichen Perspektive auszugehen, unternimmt das "Projekt Migration" den entscheidenden Blickwechsel, die Geschichte und aktuelle Aspekte der Migration aus der Sicht der Migration darzustellen: ihre grenzüberschreitenden Erfahrungen rücken ins Zentrum, der nationalstaatliche Rahmen wird verlassen. Migration und Remigration waren schon immer transnationale Prozesse, die Beziehungen zwischen den Gesellschaften herstellen und damit zu einem wesentlichen Motor für wechselseitige Veränderungen werden. Transnationalisierung wird allerdings nicht nur von MigrantInnen betrieben, sondern auch von Regierungen - durch bilaterale Staatsverträge und geopolitische oder ökonomische Interessen. Und auch diese Transnationalität bestimmt in gleichem Maße die aktuelle Bewegung der Migration - allerdings zu anderen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen.
Das "Projekt Migration" berücksichtigt den Wandel von einer vornehmlich industriell geprägten hin zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft sowie die politischen Veränderungen seit 1989. Dazu zählen sowohl die Erweiterung der EU, eine europäisierte, globalisierte Politik, als auch die Praktiken von suprastaatlichen Organisationen, die in zunehmendem Maße mit der Regulierung und Kontrolle von Migration beauftragt sind und nationalstaatliche Politiken mitbestimmen. Darüber hinaus thematisiert das "Projekt Migration" die Umstände, unter denen Menschen mit Migrationserfahrungen überhaupt sichtbar werden, welche Vorstellungen über Migration innerhalb einer Gesellschaft bestehen, auf welche Weise und von wem diese Vorstellungen hervorgebracht werden.
Die ohnehin überfällige Notwendigkeit, Migration als wesentlichen gesellschaftlichen Faktor anzuerkennen, wird durch derzeitige regierungspolitische Sicherheitsdiskurse und die Darstellung von Migration als Gefahr für die "Festung Europa" umso dringlicher, da diese Redeweisen nicht zuletzt einem neuerlichen Rassismus Vorschub leisten. Sie drohen genau jenen wesentlichen Beitrag der Migration wieder zu verdecken, bevor er überhaupt anerkannt ist.
Die vom "Projekt Migration" eingenommene transnationale Perspektive ermöglicht, etablierte Sichtweisen auf Migration zu überwinden. Sie wird gerade nicht als staatlich regulierbarer Zu- und Wegzug von Personen oder als Faktor für Multikulturalismus verstanden. Vielmehr stehen im Zentrum die komplexen, widersprüchlichen und konfliktreichen Prozesse der Migration mit destabilisierenden, den Status Quo in Frage stellenden Folgen für die Gesellschaft - Prozesse, an denen alle beteiligt sind.
Projektpartner, Schwerpunkte und Veranstaltungen
Das Ziel, Migration als transnationalen Prozess aus der Perspektive der Migration darzustellen, steht im Zentrum der seit zwei Jahren geführten Diskussionen und Recherchen der beteiligten Partner: Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. (DOMiD), Köln, das Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt/Main, das Institut für Theorie der Gestaltung und Kunst, Zürich, und der Kölnische Kunstverein als Träger des Gesamtprojektes. In dieser einmaligen Form einer transdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Institutionen aus Wissenschaft, Dokumentation und Kunst werden Darstellungs- und Argumentationsformen entwickelt, die den begrenzten Rahmen, in dem gemeinhin über Migration nachgedacht wird, herausfordern und befragen.
Begonnen hat das mehrstufige "Projekt Migration" im Jahre 2002. Seither fanden über 100 Veranstaltungen statt, darunter projektinterne und öffentliche Workshops, Film- und Vortragsreihen im Kölnischen Kunstverein und ein wissenschaftliches Symposium in Griechenland. Im Frühjahr 2003 begannen die Forschungsteams mit ihren Recherchen sowie mit ersten Film- und Kunstprojekten. Im Herbst 2005 schließt das "Projekt Migration" mit einer Ausstellung, einem weiteren Symposium, einem Filmfestival und einem umfangreichen Begleitprogramm seine Arbeit ab.
Das "Projekt Migration" stellt sich die Aufgabe, für die Ausstellung 2005 im Kunstverein und an weiteren Orten in Köln ein neuartiges Format zu entwickeln, das weder eine rein themenbezogene Kunstausstellung, noch eine ausschließlich sozial- und kulturgeschichtliche Dokumentationsausstellung sein wird. Vielmehr geht es um eine Verbindung von dem sozialwissenschaftlich, dokumentarisch und künstlerisch erarbeiteten Wissen und den verschiedenen Darstellungsformen.
Kontakt
Kölnischer Kunstverein
Projekt Migration
Hahnenstraße 6
50667 Köln
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