Projektbeschreibung
Nachdem bereits die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf, der Berliner Hamburger Bahnhof/Museum für Gegenwart sowie das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt/M. ihre bisher vor allem auf Europa und US-Amerika bezogene Sammlungs-, Forschungs- und Ausstellungsarbeit in eine globale Perspektive rücken und durch neue Sammlungsausstellungen an der Erzählung einer pluralen Moderne mitwirken wollen, wird sich nun auch das Lenbachhaus München an dem 2014 initiierten Programm „Museum Global“ der Kulturstiftung des Bundes beteiligen. Unter dem Titel „Gruppendynamik – Der Blaue Reiter und Kollektive der Moderne“ wird das Team des Lenbachhauses unter Leitung von Dr. Matthias Mühling erstmals in der Geschichte des für seine weltweit größte Sammlung zur Kunst des Blauen Reiter berühmten Museums das Potential jener Künstlergruppe aus einer globalen Perspektive und im Kontext weltweit agierender Künstlergruppierungen der Moderne untersuchen und in einer großen Ausstellung zeigen.
Universelles Kunstverständnis
Der Blaue Reiter gilt als eine der ersten nationenübergreifenden Künstlergruppen, der für die damalige Zeit erstaunlich viele Frauen angehörten. Die Künstlerinnen und Künstler dachten schon damals „global“, indem sie ein universelles Kunstverständnis propagierten. Ihr Credo lautete: „Das ganze Werk, Kunst genannt, kennt keine Grenzen und Völker, sondern die Menschheit.“ Diese Auffassung einer Kunst, deren Ziel eine gemeinsame Sprache „der Menschheit“ jenseits einer spezifischen kulturellen Bildung und nationaler Zugehörigkeit war, war in der Zeit der kolonialen Weltordnung vor dem Ersten Weltkrieg politisch und kulturell weit vorausdenkend.
Für das Vorhaben des Lenbachhaus ist der Gedanke einer Gleichberechtigung jedweder Kulturproduktion grundlegend. Denn im Zentrum des Interesses standen für die Künstlerinnen und Künstler des Blauen Reiter weder Entstehungszeit oder -ort noch Nationalität oder Religion des Schöpfers, sondern vielmehr der Grundgedanke eines Kunstwerks. Vor diesem Hintergrund erklärten sie die Abstraktion zu einer universellen Sprache, ein utopisches Ideal, das die Künstlerinnen und Künstler des Blauen Reiter mit ihren Werken zu verwirklichen suchten.
Künstlergruppen der Moderne aus aller Welt
Obwohl das kosmopolitische Kunstverständnis des Blauen Reiter grundsätzlich bekannt ist, sind Schausammlung, Forschung und Ausstellungsprogramm des Lenbachhaus bislang von einer westlichen Sicht geprägt. Deshalb soll nun eine internationale, ja globale Denk- und Arbeitsweise nachgeholt werden. Dazu soll der Blaue Reiter erstmals im Zusammenhang von Künstlergruppierungen der Moderne aus aller Welt gezeigt werden. Vorgesehen sind Beispiele aus Mittel- und Südamerika, Indien, China, Japan, Afrika, Osteuropa und Russland. Wenn die Qualitäten des Blauen Reiter in einen globalen Kontext gestellt werden, kann dies dazu beitragen, eine neue Perspektive auf den Blauen Reiter zu ermöglichen und der Relevanz der Sammlung auch in einer zunehmend diversifizierten Gesellschaft Nachdruck zu verleihen. Vorgesehen ist derzeit ein Betrachtungszeitraum von etwa 1900 bis 1970. Der Beginn dieser Phase war geprägt von weltweiten Modernisierungsbewegungen. Am Ende dieses Zeitraums stehen Dekolonisierungsprozesse und die Bildung neuer Nationen, zum Beispiel in Afrika, die mit der Herausbildung neuer Kunstschulen und Künstlergruppen einhergehen.
Neueinrichtung der Sammlung Blauer Reiter
Sowohl die Neueinrichtung der Sammlung Blauer Reiter als auch Künstlerkollektive aus Osteuropa und Russland, Afrika, Süd- und Mittel-Amerika oder Asien werden als Teil der Schausammlung im Lenbachhaus gezeigt. Das führt zu erheblichen Veränderungen in zentralen Bereichen des Museums. Durch die unmittelbare räumliche Nähe des Blauen Reiter zu den nichteuropäischen Künstlergruppen soll den Besucher/innen die Bedeutung dieser Kollektive in einer globalen Perspektive bewusst werden. Diese Neupräsentation des Blauen Reiter soll mit ausgewählten hochkarätigen Leihgaben nichteuropäischer Kunst ergänzt werden, beispielsweise durch Skulpturen aus Bali, Südborneo und Gabun, die im „Almanach Der Blaue Reiter“ abgebildet sind und sich heute im Bernischen Historischen Museum befinden.
Von welcher Moderne soll erzählt werden?
Bei der Vorbereitung der Ausstellung, die beispielhaft eine utopische wie ideale Schausammlung, die über die Perspektive einer westlichen Kunstgeschichte hinausführt, zum Ziel hat, wird sich das Team des Lenbachhauses mit grundsätzlichen Fragen auseinandersetzen, welche die aktuelle Rolle der Institution Kunstmuseum und ihre zentralen Herausforderungen betreffen: Was ist die Rolle eines Museums heute? Wo ist, vom Lokalen aus gedacht, der Anschluss an internationale und globale Perspektiven möglich? Von welcher Moderne soll erzählt werden? Wie können Alternativen zu den bestehenden Narrativen entwickelt werden? Mit diesem Ansatz verbindet sich das Lenbachhaus mit den drei anderen Museen und ihren Ausstellungsprojekten im Rahmen des Programms „Museum Global“, mit dem die Kulturstiftung Impulse dafür geben will, dass sich bedeutende Museen und Kunstsammlungen ausgehend von ihren Beständen weiterentwickeln und dazu beitragen, den westlichen kunsthistorischen Kanon neu zu betrachten und den etablierten Begriff der Moderne konstruktiv zu hinterfragen.
Symposium "Gruppendynamik. Künstlerkollektive der Moderne"
23. bis 25. April 2020, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
Zu den Vorträgen auf der Website des Lenbachhauses (externer Link, öffnet neues Fenster)
Das inspirierte Individuum und seine schöpferischen Tätigkeiten standen lange im Zentrum der Kunstgeschichte. Ab etwa 1900 lässt sich jedoch weltweit eine überraschende Fülle an Gruppenbildungen und kollektiven Prozessen beobachten. Ästhetik wurde nun als gemeinschaftliches Anliegen verstanden oder in eine kollaborative Praxis überführt. Ein Beispiel ist „Der Blaue Reiter“ vor dem Ersten Weltkrieg in München. Die weltweit größte Sammlung zu dieser Künstlerformation befindet sich im Lenbachhaus und ist bis heute Ansporn für eine weitgreifende Forschungs- und Ausstellungstätigkeit. Die Mitglieder des Blauen Reiter haben ihre künstlerischen, soziopolitischen und freiheitlich motivierten Anliegen immer als ein Projekt begriffen, dessen Ästhetik sich jenseits von Länder- , Geschlechter- und Genregrenzen manifestiert. Ausgehend von diesem universalistisch gemeinten Ansatz untersucht das Lenbachhaus in München, welche anderen oder vergleichbaren Formen der Zusammenarbeit sich innerhalb und außerhalb Europas finden lassen. Mit Hilfe vielfältiger Perspektiven von Künstlerinnen und Wissenschaftlern will das Lenbachhaus die Narration zur „modernen" Kunst in Europa erweitern und diversifizieren. Die Kuratoren erhoffen sich vom Symposium einen Austausch über gruppendynamische Prozesse und kollektive Arbeitsformen unter der Prämisse einer gemeinsamen ästhetischen Sprache über lokale und zeitliche Grenzen hinweg.
Weiterführende Informationen
Termine
Aktuell keine bevorstehenden Termine
Vergangene Termine
18. Oktober, 2021 : Ausstellung „Gruppendynamik – Kollektive der Moderne“
Lenbachhaus, München
23. März, 2021 bis 5. März, 2023: Ausstellung „Gruppendynamik: Der Blaue Reiter“
Lenbachhaus, München
23. April, 2020 bis 25. April, 2020: Digitales Angebot --> Symposium
Gruppendynamik. Künstlerkollektive der Moderne
Aus aktuellem Anlass konnte das Symposium nicht in der ursprünglich vorgesehenen Form stattfinden, die Vorträge werden jedoch online zur Verfügung gestellt.Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, München
Kontakt
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau
Luisenstraße 33
80333 München